Donnerstag, 25. August 2011

Iburger Straße: Guess Who's Coming for Drinks

In meiner Studienzeit war die Iburger-Straßen-Tour ein geheiligtes Ritual, dass wir mindestens ein Mal pro Jahr durchzuführen versuchten. Die letzte, an die ich mich erinnern kann, muss in den Neunzigern stattgefunden haben und endete damit, dass S. versuchte, den Namen seiner Angebeteten in zwei Meter großen Lettern auf das damals neue Juridicum zu sprayen, aufgrund einer Fehlfunktion der Farbdose jedoch nur seine eigenen Arme bis über die Ellenbogen einfärbte - ein Umstand, der auf das Objekt seiner Begierde einen denkbar schlechten Eindruck machte. Übrigens genau so wie die Tatsache, dass N. sich vor dem EW-Gebäude der Uni (und der dort stattfindenden EW-Party) großzügig in den Rinnstein übergab. Goldene Zeiten!

Plattfuss und ich hatten vor kurzem die Idee, das besagte geheiligte Ritual wieder aufleben zu lassen und bevor ich jetzt die Einzelheiten der Iburger-Straßen-Tour (eigentlich wäre der Name "Iburger- und Johannisstraßentour" angemessener, aber auch unhandlicher) schildere, genügt vielleicht ein Auszug aus unserer Einladung auf Facebook:
Wir gehen die Straße ab dem "Isenbecker" runter bis in die Innenstadt und nehmen jede Kneipe am Wegesrand mit.

Spielregeln: Pro Kneipe jeweils min. ein Bier und ein Schnaps pro Nase. Kneipenessen nach Belieben (Frikadellen usw).
Für die Whisk(e)ybefürworter unter uns: In jeder Spelunke muss das Whisk(e)yangebot gesichtet werden. Wer den Port Ellen findet, bekommt diesen ausgegeben. Ansonsten gilt: Verzehr nach eigenem Ermessen.
Endhaltestelle wahrscheinlich Johannisbeere oder Hubertuskeller.

Zu- oder Absagen bitte bis spätestens Do., 18. August, 1800 Uhr.

Es handelt sich um eine Männerveranstaltung. Frauchen muss sich also an dem Abend was anderes suchen...

Für den Notfall ist ein Flachmann mitzuführen
.
Sieben Einladungen sind verschickt worden, und, wie bei Männern in einem gewissen Alter unumgänglich, folgen die Absagen im Halbstundentakt: "was anderes vor", "hat meine Freundin mir verboten", "muss zu meinem Sportverein", etc. pp. Es ist kein Wunder, dass das Gastgewerbe darniederliegt. So sind also dann Plattfuss und ich die Einzigen, die sich zur veabredeten Stunde am verabredeten Ort einfinden - und unsere erste herbe Enttäuschung einstecken: Zum Isenbecker muss schon etliche Jährchen geschlossen sein, das Gebäude am Bröckerweg ist mittlerweile ein Wohnhaus. Also weiter zur nächsten Station, der Gaststätte Damora: Kneipencharme der 60er Jahre, dunkles Holz, grüne Tischdecken, alles farblich abgestimmt. Kneipenkultur, die nur noch an den Rändern und in versteckten Nischen blüht, sehr weit weg von den Lounges und Bars der Innenstadt. Getreu der Spielregeln, die wir hier sogar übererfüllen: Vier kleine Pils (Warsteiner), zwei gut eingeschenkte Ballantine's (Gast zum etwas aus der Fassung gebrachten Wirt: Nee, nich die Gläser [Likörgläser], die Gläser [deutet auf Colagläser]). Acht Euro. An der Iburger Straße feiert, wie andernorts auch, das "Club"-Wesen fröhliche Urständ. Und zwar "Club" im Sinne von: ehemalige Kneipe, mit undurchsichtigen Scheiben versehen, finster wirkende Männer drinnen, Domino oder Karten spielend, Tee trinkend. Und der Name mit dem Zusatz "e.V." Ich bin nicht ganz sicher, welchen Vorteil sich die "Mitglieder" davon versprechen, außer den, "unter sich" sein zu können, aber irgendwie habe ich das Gefühl, bei uns liefe insgesamt Einiges besser, wenn man sich auch im Kneipenbereich weniger abschottete. Aber naja. Beim Club Multi-Kulti (Ecke Johannisstraße/Wall) prangt ein gut lesbares Schild: Nur für Mitglieder. Beim Karadeniz e.V. (fast direkt am Rosenplatz) unfreundliche Gesichter und eine klare Ansage: Ihr kriegt hier kein Bier. Das hier ist privat. Ist ja schon gut. Vielen Dank auch. Löbliche Ausnahmen: Der Sandzak-Club (Bosnier) und der Neustädter Krug (Kosovaren). Beide Male etwas überraschte Gesichter, aber keine Probleme und anstandslos etwas zu trinken bekommen. Nur bei heimischen Spezialitäten müssen beide passen; auf Nachfrage nach einer bosnischen Spezialität gibt es bei Sandzak Williamsbirne - und im Kosovo ist anscheinend Korn das Nationalgetränk. Beide Male alles zusammen acht Euro (Falls die Iburger Straße irgendwann mal eine Marketingoffensive fährt: einen Slogan hätte ich schon. "Iburger Straße. Wo alles acht Euro kostet").

Haus Vennemann dagegen ist ein weiteres Relikt vergangener Tage: dunkles Holz, Porträts von Schauspielern, die schon lange keine Filme mehr drehen (Bogart, Brando) und schwarzweiße Fotos aus der guten alten Zeit. Aber recht gesellig, nette Begrüßung. Drei Pils, ein Kaffee, vier Heydt Erdbeer. Neun Euro. Johannisstuben: eine Wirtin, ein Gast. Ist immer so wenig los? Ja, Freitags schon. Fußball? Zwei Pils. Zwei Grasovka (schmeckt sehr nach Kümmel). Acht Euro. Ewige Lampe: es gibt Einiges, was an der Bar aufgereiht ist. Wir nehmen zwei Pils und zwei Tullamore Dew (süß, geht angenehm runter). Sieben Euro. Als Dreingabe gibt es einen Streit über die Existenz oder Nichtexistenz Gottes: als wir die Kneipe verlassen, steht es gerade 2:1 für den Atheismus. Hubertuskeller: wie der Name schon sagt, eine Etage unter Straßenniveau, Kegelbahn ist angeschlossen. Der Wirt: Was schreibense denn da? Ich: Och nix, nur so'n paar Notizen. Sind se etwa sowas wie n Tester? Och nö, nich wirklich. Machense sich keine Sorgen. Zwei Pils, ein Dimple (in der Nase Nuss, Ethanol; geschmacklich auch recht nussig, Terpentin; Abgang kurz, spritig, ölig. Instantly forgettable) und ein Tia Maria. Gebracht wird aber ein Bailey's. Oh, da hab ich mich vertan. Tut mir Leid, den berechne ich dann nich. Tut er am Ende aber trotzdem. Acht Euro. 


Johannissbeere, nun sind wir schon in der Fußgängerzone. Es ist voller, zwar "urig", aber irgendwie schon smarter, aufgehübscht. Die Bedienung etwas älter aber durchaus ansehnlich. Oder ist das schon der Alkohol? Zwei Pils, zwei Johnnie Walker Black Label (lohnt den Aufpreis zum Red Label ü-ber-haupt nicht). Zehn Euro und achtzig Cent. Aua, sagt Plattfuss. So teuer? Draußen: ich brauch noch n Döner. Ja, lass uns. Gottseidank ist das Treibhaus schon zu. Kleiner Absacker im Grünen Jäger? Hier werden meine Notizen unleserlich, ich entziffere noch: 1 Pils 1 Cola j. beam alles ok. Preise habe ich mir ab jetzt nicht mehr notiert. Lennox (ein Pils, ein Glenmorangie, ein Cardhu). Die Bestellung wird angenommen, die Flaschen werden vom Regal geholt. Dann zieht sich der Kellner die Jacke an und geht einfach. Feierabend. Wir sitzen noch etwa fünf Minuten. Du, ich glaub das wird hier nix mehr. Lass uns mal Extrablatt. Danach bleibt der Notizblock leer.

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 30. August 2011. Dann verkosten Plattfuss und ich den Old House No 1 von Netto. Und vergleichen ihn mit dem Statesman von Aldi Nord. 

Picture Credits: "Was ich am nächsten Morgen brauchte": TAQ 

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