Sonntag, 5. August 2012

Zwischendurch: Das Reinheitsgebot und der Tod des deutschen Biers

Gestern saß ich an einem neuen Artikel aus der Reihe Sind so kleine Biere, wo wir uns ausschließlich mit Produkten aus Mikrobrauereien und anderen kleinen und eher unbekannten Produktionen beschäftigen. Und Abends war ich in der Altstadt und trank ein Pils, eventuell ein Herforder oder ein sogenanntes Osnabrücker ... und mir wurde schlagartig klar, dass ich auf deutsches Pils überhaupt keine Lust mehr habe. Zumindest auf keines, was so im Allgemeinen aus den Zapfhähnen und Supermärkten der Republik läuft. Woran liegt es? Pils war schließlich, wie wahrscheinlich bei fast jedem, der regelmäßig Alkohol konsumiert, my first love. Für mich persönlich ist die Antwort relativ einfach: durch die ganzen Bierfeste und Bierbörsen und Biertastings - und zwar hauptsächlich von internationalen Bieren - sind soviele neue Eindrücke und Vorlieben entstanden, dass ich irgendwie einfach nicht mehr zurück kann und zurück will zur Monotonie der Krombachers, Veltins, Beck's, und wie sie sonst noch alle heißen mögen.

Erhellend wirkte dann eine Dokumentation, die auf ZDF Kultur ausgestrahlt wurde, mit dem vielsagenden Titel Hopfen und Malz verloren! Die Doku kann im Internet unter diesem Link vollständig abgerufen werden, darum beschränke ich mich auf eine kurze Zusammenfassung, bzw. auf die Punkte, die mir wichtig schienen:

  1. Der deutsche Bierkonsum sinkt bekannterweise seit Jahren dramatisch (von etwa 140 Liter pro Kopf und Jahr innerhalb kurzer Zeit auf knapp 100 Liter). Einige Experten sehen als Grund die zunehmende Einheitlichkeit der Braustile und des Geschmacks der Biere.
  2. Tatsächlich sind die fünf größten deutschen Pilsmarken einander so weit geschmacklich angenähert, dass sie einerseits dem Massengeschmack entsprechen, andererseits aber auch bei Blindverkostungen kaum von einander zu unterscheiden sind, wie ein Experiment belegte. Laboruntersuchungen ergaben, dass diese Marken in Bezug auf die Hopfigkeit (Bitterkeit) und die Malzigkeit (Würzigkeit) inhaltlich sehr ähnlich sind.
  3. Die Deutschen sind der Auffassung, das beste Bier der Welt herzustellen. Diese Auffassung ist durch die Realität allerdings nicht gedeckt, denn in international renommierten Wettkämpfen zeigte sich, dass selbst in Traditiondisziplinen wie dem Pils andere Länder (USA!) geschmacklich die Nase vorne haben.
  4. Insbesondere in den USA gibt es eine reiche Tradition hervorragender Biere aus Mikrobrauereien, die einst auch aus dem Geschmacksdiktat der großen Brauereien (Anheuser Busch, Miller, ...) als Gegenbewegung entstanden.
Es ist bei uns mit dem Pils wie mit dem Whisky oder mit anderen Alkoholika: Was dem Massengeschmack gefallen muss, ist eher charakterlos und mittelmäßig im Geschmack. Dass es auch anders geht, zeigten einige im Film ebenfalls porträtierte deutsche Klein - und Kleinstbrauereien.


Ein Tabu wurde leider in Hopfen und Malz verloren! nur am Rande berührt und nicht gebrochen: Das deutsche Reinheitsgebot. Es wurde dankenwerterweise berichtet, dass das Reinheitsgebot mitnichten dazu führt, dass zum Beispiel keine Chemikalien im Brauprozess verwendet werden: solange sie anschließend wieder herausgefiltert werden, geht es anscheinend in Ordnung. Oder das Verwandeln von Pils in Schwarzbier mittels eines zugelassenen (!) Vorgangs, in dem Farbebier verwendet wird, analog zur Verwendung von Zuckerkulör bei der Whiskyherstellung. Auch ist es natürlich richtig, dass man, auch unter Beachtung des deutschen Reinheitsgebotes, durch die Veränderung von Brauverfahren, der Verwendung anderer Hopfenarten, usw. sehr individuelle Stile und Geschmacksnuancen erzielen kann.

Trotzdem plädiere ich hier jetzt mal für den kompletten Tabubruch und sage, dass wir dazu kommen müssen, uns nicht mehr hinter dem Reinheitsgebot zu verschanzen. Historisch gesehen hatte es natürlich seine Berechtigung, denn es sollte dazu dienen, dass der Konsument nicht durch den Zusatz minderwertiger Zutaten übers Ohr gehauen oder gesundheitlich geschädigt wird. Und das ist natürlich grundsätzlich richtig und wichtig. Aber ein kritisches Hinterfragen des Reinheitsgebots soll natürlich nicht dazu führen, dass nunmehr Sägespäne, Schweineblut oder Zehennägel ins Bier kommen. Jedoch muss man schon einmal fragen dürfen, warum nur Gerste ins deutsche Bier darf, Reis aber zum Beispiel nicht. Oder Mais. Gesundheitsschädlich dürften letztere ja kaum sein. Und schmecken kanns auch, wie ich am Beispiel etlicher ausländischer Biere schon erfahren durfte.

Reinheitsgebot oder nicht: ich denke, wir als Konsumenten sind alle gefordert, uns nicht mehr mit der Einheitsplörre zu begnügen, die uns die großen Konzerne einschenken. Wagt Experimente! Unterstützt lokale Brauereien und Mikrobrauereien! Baut Barrikaden! ;-) Trinkt auch mal ausländisches Bier! Vergleicht! Fragt bei Eurem Getränkehändler nach Charakterbieren! Lasst es Euch schmecken!

Picture Credits: "Mac Ben Scotch Ale": TAQ



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