Samstag, 15. Dezember 2012

Blackstone 18 J. (40% Vol.) bei Aldi Nord (2012)

"Könnten Sie den bitte für mich umlegen?" raunt die Kassiererin mir zu. Instinktiv drehe ich mich zu dem älteren Mann hinter mir um, graumeliert, korrekt gekleidet. Was hat sie gegen ihn? Sie folgt meinem Blick. "Nein, können Sie die Flasche umlegen? Auf dem Warenband hinlegen?" hakt sie ungeduldig nach. "Wenn die Flasche kaputt geht, dann gibt es richtig Ärger." Oj, eine gefährliche Flasche. Ich lege sie hin. Bevor die Dame sie über den Scanner zieht, befühlt sie das Etikett, prüft das Glas auf Risse, undichte Stellen. Sie sieht meinen Gesichtsausdruck, sagt: "das ist ein richtig teurer Whisky, ein ganz guter Whisky." Ich nicke ihr zu. Was sollte ich auch antworten? "Das wird sich zeigen" klingt so bedrohlich.

Was ich gerade erstanden habe, ist der alljährliche Vorweihnachts-Single Malt vom Discounter, genauer gesagt von ALDI Nord, der gerade für 19,99 in den Regalen liegt. Jedenfalls nicht wie Blei, denn die Auslegeware ist schon so gut wie weg, als ich gegen 12 Uhr am ersten Verkaufstag an der Pagenstecherstraße erscheine. Auch wieder im Programm: Vier Whisk(e)ys aus vier Ländern, wie letztes Jahr (und auch dieses Mal habe ich sie wieder vom Kollegen L. zum Nikolaus bekommen). Aber darum geht es jetzt nicht. Zurück zum Blackstone ... Blackstone ... woher kenne ich den Namen? War das nicht das Geheimprojekt in der Bourne-Trilogie? Nein, Treadstone und Blackbriar, glaube ich. Oder doch nur Investmentgesellschaft? Nicht, dass die jetzt auch in Whisky machen. Wohl nur Zufall.

Und wie jedes Jahr (bei jeder Abfüllung) wieder die spannende Frage: wer hat's gebrannt? Im Internet kursieren Gerüchte, es sei Glen Ord. Möglich ist es, von der Region her würde es passen, auch die Flasche ist ähnlich gestaltet wie die alten Flaschen von Glen Ord (vor 2004). Aber nichts Genaues weiß man nicht, wie der Schotte zu sagen pflegt. Woher die Leute das auch immer wissen wollen ... da muss man schon über Insiderkenntnisse verfügen; die Brennereien haben keinerlei Interesse daran, dass das Publikum weiß, woher die Discounterware stammt - sie würden ja dann in zwei verschiedenen Preissegmenten miteinander konkurrieren. 

Na und? Okay, nehmen wir mal an, in der Flasche für 19,99 bei ALDI wäre wirklich etwas aus der Destillerie Glen Ord. Die haben nur einen einzigen 18jährigen im Portfolio, nämlich den Singleton of Glen Ord 18. Und der wird eigentlich nur in Asien vermarktet, online geht er für um die 85 Britische Pfund (105,- EUR) über den Tisch des Hauses. Klar so weit? Selbst wenn es sich nur um ein zweitklassiges Fass handelte, wäre die Ersparnis ein MegaMegaMegaschnäppchen. Aber wie gesagt: man weiß es nicht. Letztes Jahr war was von Destillerie X drin, jetzt kann was von Destillerie Y drin sein - das ist ja das Schöne an den Handelsmarken. Ich muss auch sagen, irgendwo erlahmt selbst mein journalistischer Enthüllungseifer. Ansonsten gibt das Label nicht viel her. Ein bisschen Bla bla hier und ein bisschen blub blub dort ("distilled in copper pot stills in the traditional centuries-old manner")... das war's dann auch schon. Vom Design her nicht so hässlich, Etikett im "altes, fisseliges Pergament"-Stil, mit Landschaftskupferstich drauf ... find ich in Ordnung. Also auf zu Sebo Supreme und Plattfuss, zur Verkostung.

Bild: TAQ

Art und Herkunft: Single Malt, Highlands

Aussehen und Aroma: Farblich schwankt er etwas zwischen Bernstein und Kupfer und erinnert mich entfernt an einen mitteltrockenen Sherry. Im Glas macht er keinen sehr voluminösen Eindruck. Die Nase ist zunächst schwer definierbar und uneinheitlich. Es stellen sich Andeutungen von Mirabellen und etwas grünem Gras ein. Nebenher läuft noch ein leicht metallisches Thema. Warmer Kartoffelbrei?

Geschmack: Im Mund finde ich ihn im ersten Moment etwas wässrig. Im Antritt sehr viel Holz, ebenso eine spürbare Schärfe, die sich aber im Mittelteil gelegt hat. Ein Hauch von Karamellbonbon, trocken am Gaumen. Leichte Anflüge von Vanille?

Abgang: Mittellang, wärmer werdend.

Tipp: Auf den Zusatz von Wasser sollte man in diesem Fall eher verzichten, da hierbei etwas unangenehme Aromen aufgeschlossen werden; der Whisky entwickelt dann eine leicht seifige Geschmacksnuance.

Fazit: Vielleicht wird es diejenigen enttäuschen, die an dieser Stelle mit einem herzhaften Verriss gerechnet hatten, aber ich kann dem Blackstone 18 kein wirklich schlechtes Zeugnis ausstellen; alle Tester in der Runde waren sich in diesem Punkt übrigens auch einig. Natürlich ist er kein "großer" Whisky, dazu fehlt es ihm an Ausgeglichenheit und Charakter. Aber wenn man bedenkt, dass er für knapp 20,- EUR im Verkauf steht, dann muss man ihm zugestehen, dass man für das selbe Geld schon erheblich schlechter getrunken hat. Selbstverständlich darf nicht verschwiegen werden, dass er insgesamt etwas blass und nicht ganz makellos ist. Halt nicht das beste Fass des Jahrgangs. Für jemanden als Neuigkeit unter dem Gabentisch - ja sicher. Einem Whiskykenner würde ich jedoch eventuell besser eine andere Flasche schenken.

Vielen Dank auf diesem Wege auch noch einmal an Sebo Supreme für die Gastfreundschaft und das köstliche Fingerfood zur Verkostung.

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 22. Dezember 2012.



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