Samstag, 17. Oktober 2015

Bonne Nuit Tristesse: Kneipentour in der Dodesheide

Das hier ist unser letzter, aber wirklich auch allerletzter Versuch, in Osnabrück außerhalb der Innenstadt so etwas wie einen bar crawl aufzuziehen. Vor einigen Jahren haben wir es ja mal mit der Iburger Straße gemacht, was schon damals nicht ganz einfach war und heutzutage schlicht unmöglich ist. Ansonsten konnten wir - trotz schärfsten Nachdenkens - keine längere Straße hier in der Hasestadt benennen, wo es auf einer Strecke von drei bis vier Kilometern noch mehr als zwei oder drei Kneipen gibt. Das Einzige, was uns noch einfällt ist der Stadtteil Dodesheide, wo Plattfuss einst wohnte und sich dunkel zu erinnern glaubt: dort gäbe es noch einige Spelunken zum Ausprobieren. Auch ein Blick ins Branchenbuch stimmt uns zuversichtlich also - oh jugendlicher Leichtsinn! - setzen wir uns in den Bus mit der Nummer 51 und fahren ab in die Außenbezirke. Auf dem Weg wird mir allerdings schon recht mulmig zumute, denn an jeder zweiten Ecke höre ich Plattfuss dräuen: "Moment, war hier nicht mal das (Kneipennamen einsetzen)?"

Das Grammophon am oberen Ende der Ellerstraße ist der Ausgangspunkt. Soll ja eine Legende sein, die Gäste wirken heute Abend aber eher müde: Briten, die nach dem Abzug der Armee hier hängengeblieben sind. Das Innere erinnert mich ein bisschen an das Pfadfindervereinslokal meiner Kindheit. Ansonsten stauben in den Regalen die Flaschen. Die verblichene Karte draußen avisiert Malt Whiskys zu unterschiedlichen Preisen. Es gibt dann doch nur Glen Grant. Und Pils. Bevor das Darts-Freundschaftsspiel mit der Royal British Legion beginnt, suchen wir das Weite. Weiter die Ellerstraße runter. Hier war doch früher mal ... jaja bringt uns jetzt auch nix mehr. Schon bin ich ungehalten über den langen, durstigen Weg. Viele Gehminuten später winkt ein kleines Karree: Dammer Hof. Mit Dönerbude, Fahrschule, Lottobude, Blumenladen und Gaststätte hat das Viertel somit alles, was es braucht. Also rein ins Görtemöller. Es sind wohl bayerische Wochen. Das Dirndl steht dennoch nur zwei Dritteln der Bedienung. Die jüngste und hübscheste ist auch die Unzufriedenste: wenn doch die Vorgesetzte nicht wäre. Es gibt Oktoberfestbier von Paulaner, furchtbar knarzigen Obstler von Specht und einen mir unbekannten Korn mit Kirsch. Die Haxen scheinen gut zu gehen, nebenan wird gekegelt. Die Truppe kommt peu á peu an den Tresen: drei Mann, um zwei Biere zu zahlen. Das Pissoir ist ganz lustig:




Danach brauchen wir auch was. Döner. Mit Scharf. Der Verkäufer gibt mir einen Extraschleez der roten Soße und feixt sich eins. Einen Kilometer weiter: gottseidank, endlich wieder was trinken. Das Vorderhall teilt sich die Location mit einer Pizzeria. Der Raum ist dunkel; groß wie ein Schiffsbug ragt die massivhölzerne Bar mit den Lichtspots uns entgegen. Der italienische Wirt und ein einsamer Gast sind ebenfalls in den Siebzigern hängengeblieben. Im Fernsehen läuft Goldstar TV, ein Beatles-Hit nach dem anderen. Bis vor ner Stunde hat hier der Bär gesteppt. Ja, is klar. Neben dem obligatorischen Pils gibt es Osborne Veterano. Dünnes Stöffchen, wärmt daher auch nicht gut. Der Ewige Gast und wir tauschen Runden aus. Egal was er nimmt - er trinkt es mit Cola. Bacardi. Osborne. Metaxa. Den leisen Tönen des Wirts entnehme ich: lange geht es nicht mehr gut mit der Kneipe. Weiter, weiter. Durch das Schulzentrum abkürzen, direkt zum Sportlertreff des SSC Dodesheide. Da ist auch Bayern, das Oktoberfest des Vereins. Nun, die Dirndl passen und sitzen hier besser: ist das Sabber oder verschüttetes Bier auf dem Tresen vor mir? Ich habe keine Ahnung, was wir gerade trinken, der Metaxa aus der vorherigen Kneipe tut nun endlich sein Werk. Wir bleiben nicht lange; es ist keine geschlossene Gesellschaft aber halt doch irgendwie.

Schleppen wir uns also weiter. Nach gut fünfzig Schritten bin ich schon wieder durstig. Nimmt das denn kein Ende? Lerchenstraße: Zum Adlerhorst. Prächtig, jetzt fehlt nur noch "Zur Wolfsschanze", dann bin ich bedient. Wieder Kneipenstyle der Siebziger, gelbliche Fenster, grünbraune Stühle. Aber gut besucht und entsprechend stark verraucht. Das Grevensteiner wirkt fast etwas deplaciert. Plattfuss findet sofort Anschluss zu seinem Tresennachbarn. Der leicht ungesund wirkende Fünfzigplusser greift ihn bei der Hand: Mensch, ewig nicht gesehen. Kennst du noch den ... und den ... und den ...? Plattfuss sagt zu allem ja und amen. Ich frage, woher er den Mann kennt. Ich? Den kenn ich überhaupt nicht. Allerdings hat er die Thekenkräfte schon mal gesehen, früher waren sie im Sportlertreff. Eine Liga abgestiegen? Relegation nicht gepackt?

Der letzte Weg ist der längste. Erst am Hasetor gibt es wieder was. Attermeyer. Wir wanken rein, schauen uns um. Ups. Rough crowd, würde mein englischer Kumpel sagen. Halbwelt, mein Vater. "Halbwelt" klingt so edel, sage ich. Viertelwelt vielleicht. Mit Staunen höre ich später: mehrere mir ganz gut bekannte Personen gehen öfter und gerne hin. Vielleicht an anderen Abenden? Vielleicht übertüncht der Alkohol meine Aufnahmefähigkeit und ich bin tatsächlich in einer Versammlung fein- und schöngeistiger Bürger gelandet? Who knows. Ich glaube, ich nehme ein Frankenheim Alt und irgendwas Kurzes.

Am Ende sitzen wir im Bus nach Belm. Und wissen nicht, warum.

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 24. Oktober 2015.

- Euer Tomas Aquinas

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