Alle, die sich heutzutage als ernsthafte Whiskytrinker bezeichnen, werden in der Regel zuerst einmal an den Single Malt denken. Über diesen wird in einschlägigen Kreisen (also auch hier) am meisten gesprochen und geschrieben. Es werden Muster ausgetauscht, seltene Flaschen werden immer teurer. Ein Spartenexpertentum (Etiketten, erloschene Destillerien, ...) hat sich herausgebildet. Tatsächlich ist das Phänomen (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht viel älter als etwa zwanzig Jahre, denn wer die Barschränke der Generationen vor uns nach Whiskys durchsuchen könnte, würde dort hauptsächlich Blends (auch einfach nur Scotch genannt) vorfinden, also Dinge wie White Horse, Ballantine's, Johnnie Walker. Warum sich die Trinkgewohnheiten irgendwann in den Neunzigern geändert haben, wäre sicherlich ein dankbares Thema für einen weiteren Artikel. Aber wir blicken heute viel weiter zurück in die Vergangenheit, nämlich in das frühe 19. Jahrhundert, sagen wir mal so um 1840. Wie ich in einem älteren Beitrag schon einmal geschrieben habe, tranken die Leute damals, so sie denn Whisky tranken, nur Single Malts. Alles in Butter, könnte man also sagen. Nicht ganz. Die damaligen Whiskys waren erstens anders als die heutigen; sie waren primitiver gebrannt und auch die Lagerung wurde noch nicht unbedingt als eigene Kunstform angesehen. Mithin tendierten sie dazu, eher jung und ruppig abgefüllt zu werden. Mangels eines modernen Fassmanagements (wie es heute bei den Destillerien durch den jeweiligen malt master garantiert wird) kam noch ein weitaus größeres Problem hinzu: Die Qualität der Produkte schwankte von Charge zu Charge ganz erheblich. Der Fachmann nennt so etwas auch Volatilität.
Es gab damals bereits Groß- und Einzelhändler, welche den verschiedenen Destillerien ihren Whisky abkauften, ihn in Flaschen abfüllten, und ihn anschließend an den Endverbraucher verkauften. Diesen Händlern konnte es natürlich nicht recht sein, dass die Qualität der Brennereierzeugnisse solch starken Schwankungen unterlag, denn wenn einmal ein schlechtere Lieferung dabei war, waren Beschwerden der Kunden vorprogrammiert. Aber was tun? Auf die Produzenten selbst hatte man wenig Einfluss (anders als heute, wo es ja bereits einige Abfüller gibt, denen auch Brennereien tatsächlich gehören). Nun lebte damals in Edinburgh ein Mann namens Andrew Usher (eigentlich gab es derer zwei, der andere war sein Vater), der eine Idee hatte: Wenn man nun den Whisky, anstatt ihn Jahrgang um Jahrgang bzw. Fass um Fass zu verkaufen, mischen würde, bis man einen akzeptablen Geschmack geschaffen hätte? Dann könnte man, wenn man über ein feines Näschen, einen feinen Gaumen und einigermaßen umfangreiche Whiskyvorräte verfügte, diesen Geschmack wieder und wieder reproduzieren, das heißt: man hätte eine immer (fast) gleichbleibende Qualität. Die ersten Versuche begannen in den späten 1840ern, aber es dauerte noch bis 1853, bis der erste Blend der Welt entstanden war: Usher's Old Vatted Glenlivet (OVG). Dieser war aber eher das, was man heute einen Vatted/Blended Malt nennen würde. Wenig später begann Andrew Usher (Junior), den Single Malts die neutraler schmeckenden Grain Whiskies zuzusetzen. Er gehörte denn auch zu den Gründervätern der großen Graindestillerie North British, allerdings erst ein paar Jahre danach.
Wenige Zeit nach dem Erscheinen des OVG, viele Quellen sprechen von 1856, kam dann der erste "moderne" Blend heraus, und das war - tataaaa - der heute verkostete Usher's Green Stripe, der älteste noch immer (und ununterbrochen) produzierte Scotch. Dieser wurde seit 1919 von der Firma J & G Stewart, Edinburgh, hergestellt (Usher hatte die Rechte verkauft). Ich konnte herausfinden, dass die Wortmarke für J & G Stewart (JGS) allerdings erst recht spät, nämlich im Jahre 1934, eingetragen wurde. Erloschen ist sie dann 1995. Die Marke gehörte aber, das ließ sich anhand alter Firmenportfolios feststellen, in den 60ern irgendwann bereits zu Brown Forman. Heute wird JGS (und somit der Green Stripe) laut zumindest einer Quelle als Marke von Whyte & Mackay gelistet, allerdings habe ich auch schon Diageo gehört. Aber irgendwie ist mein detektivischer Eifer dann auch erlahmt. Fest steht, dass JGS zu Glanzzeiten eine eigene Brennerei betrieb (wo dann wohl auch der Usher's hergestellt wurde) - und zwar im Edinburgher Hafen Leith, bevor die Abfüllung in den Siebzigern verlegt wurde.
Dass der Usher's Green Stripe - obwohl er ja ein historisches Erbe darstellt - heute recht unbekannt ist, liegt vor allem daran, dass man ihn in Europa nicht mehr kaufen kann. Anscheinend ist er nur noch auf dem amerikanischen Kontinent erhältlich. Während einer der verschiedenen Übernahmen der Marke muss auch ein rebranding stattgefunden haben, denn dort, wo er noch verkauft wird, gehört der große alte Herr mittlerweile zu den Produkten im Niedrigpreissegment. In den USA werden z.B. Preise um die 13 bis 14 USD ausgerufen; das ist doch schon recht günstig. Selbstverständlich hat sich mit der Zeit auch der Geschmack verändern (müssen), denn einige der Destillerien, die Usher 1856 in den Blend hineinpackte, gibt es heute gar nicht mehr. Aber das ist ja auch der Vorteil von Blends, dass man zumindest einen ähnlichen Geschmack über die Zeit erhalten kann, indem man eine weggefallene Brennerei bzw. deren Produkt durch ein anderes, ähnlich schmeckendes Erzeugnis ersetzt. Auch wurde die Trinkstärke angepasst.
Eine gut erhaltene, ungeöffnete Flasche Usher's Green Stripe (insbesondere diejenigen, die vor der Jahrtausendwende abgefüllt wurden), hat heute einen gewissen Sammlerwert. Man erkennt diese "alten" Flaschen an der Ausstattung mit dem namensgebenden "grünen Streifen" (ein Stückchen grünes Seidenband, welches vom Korken herabhängt und weiter unten an der Flasche von einem ebenfalls grünen Wachssiegel fixiert wird. Sie sind außerdem mit einem Alkoholgehalt von 43% Vol. abgefüllt. Für derartige Flaschen darf man einen Preis von um die 150,- EUR ansetzen. Plattfuss hatte vor einiger Zeit richtig Glück und erstand eine für sagenhafte 35,- EUR. Im selben Jahr (2012) erhielt ich ebenfalls eine als Weihnachtsgeschenk von meiner Frau. Sie hatte dafür mehr als 100,- aber weniger als 150,- EUR bezahlt. Allerdings gab es noch einen originalen Werbeaufsteller (der ebenfalls ein Sammlerstück ist) gratis dazu, also war es doch ein gutes Geschäft. Nachstehend zur Orientierung also ein Bild dieser Flasche (abgefüllt noch im 20. Jahrhundert), samt Deko:
Dass der Usher's Green Stripe - obwohl er ja ein historisches Erbe darstellt - heute recht unbekannt ist, liegt vor allem daran, dass man ihn in Europa nicht mehr kaufen kann. Anscheinend ist er nur noch auf dem amerikanischen Kontinent erhältlich. Während einer der verschiedenen Übernahmen der Marke muss auch ein rebranding stattgefunden haben, denn dort, wo er noch verkauft wird, gehört der große alte Herr mittlerweile zu den Produkten im Niedrigpreissegment. In den USA werden z.B. Preise um die 13 bis 14 USD ausgerufen; das ist doch schon recht günstig. Selbstverständlich hat sich mit der Zeit auch der Geschmack verändern (müssen), denn einige der Destillerien, die Usher 1856 in den Blend hineinpackte, gibt es heute gar nicht mehr. Aber das ist ja auch der Vorteil von Blends, dass man zumindest einen ähnlichen Geschmack über die Zeit erhalten kann, indem man eine weggefallene Brennerei bzw. deren Produkt durch ein anderes, ähnlich schmeckendes Erzeugnis ersetzt. Auch wurde die Trinkstärke angepasst.
Eine gut erhaltene, ungeöffnete Flasche Usher's Green Stripe (insbesondere diejenigen, die vor der Jahrtausendwende abgefüllt wurden), hat heute einen gewissen Sammlerwert. Man erkennt diese "alten" Flaschen an der Ausstattung mit dem namensgebenden "grünen Streifen" (ein Stückchen grünes Seidenband, welches vom Korken herabhängt und weiter unten an der Flasche von einem ebenfalls grünen Wachssiegel fixiert wird. Sie sind außerdem mit einem Alkoholgehalt von 43% Vol. abgefüllt. Für derartige Flaschen darf man einen Preis von um die 150,- EUR ansetzen. Plattfuss hatte vor einiger Zeit richtig Glück und erstand eine für sagenhafte 35,- EUR. Im selben Jahr (2012) erhielt ich ebenfalls eine als Weihnachtsgeschenk von meiner Frau. Sie hatte dafür mehr als 100,- aber weniger als 150,- EUR bezahlt. Allerdings gab es noch einen originalen Werbeaufsteller (der ebenfalls ein Sammlerstück ist) gratis dazu, also war es doch ein gutes Geschäft. Nachstehend zur Orientierung also ein Bild dieser Flasche (abgefüllt noch im 20. Jahrhundert), samt Deko:
Nachdem Plattfuss und ich uns nun also unsere Sammlerflaschen gesichert hatten, zwecks Anglotzens und eventuell später auch gewinnträchtigen Wiederverkaufs, wollten wir natürlich trotzdem mal den Usher's probieren. Vor ein paar Jahren hatten wir ja das Vergnügen einmalig gehabt, als wir das erste Mal darauf stießen. Der Besitzer der (ebenfalls "antiken") Flasche hatte uns zwar 17,- EUR pro Glas abgeknöpft, dafür aber widerstandslos die Pulle geköpft. Ich habe mir damals keine Notizen gemacht, aber ich erinnere mich an einen sehr weichen, geschmeidigen Blend, aus dem man die Grains fast gar nicht herausschmeckte (Usher's warb früher mit dem Slogan: The Original Light Scotch). Nun ist es uns einige Zeit später tatsächlich gelungen, für wenig Geld noch eine dritte Flasche zu erstehen, die wir nun endlich auch mal trinken konnten. Aber einen Wermutstropfen gibt es doch: Es handelt sich um eine Barflasche mit 1,75 Liter Fassungsvermögen, die aber bereits zur "neuen" Generation des Usher's Green Stripe zählt (also bereits nach der Jahrtausendwende abgefüllt), was man auch an der "ärmlicheren" Ausstattung der Flasche (kein Siegel mehr, vereinfachtes Etikett) erkennen kann. Zusammen mit der Neupositionierung der Marke im unteren Preissegment wurde auch der Alkoholgehalt reduziert und - so sind wir uns ziemlich sicher - die Rezeptur verändert.
Art und Herkunft: Blended Scotch Whisky
Aussehen und Aroma: Relativ hell, junges Stroh. Gelblich. Ziemlich fruchtiges Aroma, starke Vanillenoten. Außerdem ein holzig-nussiges Thema. Haselnüsse?
Geschmack: Vorne auf der Zunge samtig, ebenfalls süß-nussig. Eventuell etwas Pistazie? Schokoladig-trocken bis leicht bitter im Mittelteil. Der Grain Whisky zeigt sich deutlich.
Abgang: Für einen Blend recht lang, ziemlich weich. Etwas Wärme zum Schluss.
Fazit/Tipp: Ein immer noch ganz gut komponierter Blend, der der langen Tradition der Marke keine Schande macht. Aus dem Gedächtnis aber definitiv nicht so stimmig und gefällig wie die alte Abfüllung aus dem 20. Jahrhundert. Werde mal versuchen, mir noch einmal eine Flasche des "Alten" nur so zum Trinken zu holen. Vielleicht hab' ich ja Glück.
Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 31. Mai 2014.
- Euer Tomas Aquinas
3 Kommentare:
Ergänzend möchte ich noch hinzufügen, dass ich den Usher's Green Stripe (alte Ausführung) geschmacklich für einen Single Malt gehalten habe. Sehr, sehr, sehr guter Blend!
Wie alt dürfte etwa eine Flasche (Geschenkbox mit zwei Gläsern) sein, die zwar ein Wachssiegel aber kein Band hat? Ganz unten auf dem Etikett steht "distilled and bottled in Scotland under british government supervision".
@Anonym: Schwer zu sagen. Der Aufdruck ist auf Flaschen der 1960er und 1970er nachweisbar, aber wir können nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er in den 1980ern auch noch gebräuchlich war oder nicht, da gerade Flaschen aus den 80ern schwierig zu finden sind. Das Fehlen des Bändchens kann Zufall sein, da mir auch schon Flaschen untergekommen sind, die ein Bändchen hätten haben müssen, trotz intakten Siegels aber keines mehr hatten.
Kommentar veröffentlichen