Manchmal lehrt das Leben einen die nötige Demut. Bittere Lektionen sind es zwar oft, karmisch gesehen aber vielleicht auch notwendig. Plattfuss warf mir neulich vor, ich würde die Veröffentlichung von Tastings oft zu lange hinauszögern, etwas, was ich weit von mir wies. Aber im vorliegenden Fall hat er nicht ganz unrecht. Als ich letzten Herbst mit meiner Frau auf Tour in Belgien war, hielten wir zwecks Frittenpause in der schönen Stadt Turnhout. In einem angrenzenden Supermarkt stieß ich auf die Produkte einer lokalen Mikrobrauerei, der Hobbybrouwerij Het Nest. Ich war natürlich ziemlich begeistert, denn erstens hatte ich von denen noch kein einziges Bier getrunken und zweitens hatte ich mir ausgerechnet, dass ich, wenn ich die Verkostung im Blog veröffentliche, so fast etwas wie eine Pionierleistung erbringe.
Nun leider, so muss ich mir eingestehen, gibt es noch mehr Leute, die über Alkoholika bloggen, und das auch schon mehr als nur semiprofessionell. Und wenn noch dazu kommt, dass ich doch stark zum Prokrastinieren neige, so hätte ich mich nicht wundern sollen, als ich eines Tages meine metaphorische Zeitung aufschlug und einen Artikel entdeckte über ... ganz genau. Zumindest, so sagte ich mir, ist es nicht so schlimm, von einem der Besten geschlagen worden zu sein. Denn Christopher Barnes von I think about beer ist nun wirklich einer der ganz großen Bierblogger, dessen Zeilen ich wärmstens empfehlen kann. Englischkenntnisse sind allerdings schon nötig, falls man nicht zu Google Translate greifen will. Christopher jedenfalls hat nicht nur schon über Het Nest einiges geschrieben, sondern auch einen der "Hobbybrauer" - Guy Verbunt - ausführlich interviewt, weswegen ich hier noch einmal speziell zum Gespräch verlinke.
Aber zumindest kann ich ja trotzdem einen kurzen Abriss der Firmengeschichte liefern, zusätzlich natürlich zum eigentlich eh Wichtigsten - der Verkostung. Het Nest entstand, so steht es auch auf der Homepage, aus einer fröhlichen Runde von Bierenthusiasten, die nach einer langen Zeit des "passiven" Konsums beschlossen, selbst das Brauen zu erlernen, erst einmal natürlich nur zum Spaß und mit einfachen Mitteln. Mit der wachsenden Praxiserfahrung kam auch der Wunsch, in größerem Maßstab zu produzieren. Eine eigene professionelle Braustätte war in der Anfangszeit (um 2008) natürlich noch zu teuer und so wurden die Biere bis heute in wechselnden Fremdbrauereien hergestellt, die Firma ist also eine gypsy brewery, wie man auf Englisch sagt (eine deutsche Direktübersetzung wäre wohl nicht politisch korrekt. Ich schlage die Nomenklatur "Wanderbrauerei" vor). Allerdings wird nun schon an einer eigenen Produktionsanlage gebaut, die Fertigstellung soll in Sicht sein.
Zur Zeit werden seitens Het Nest sieben verschiedene Biere angeboten, welche fast alle die Namen (in der flämischen Mundart) von Spielkarten tragen. Warum? Ganz einfach: weil Turnhout die belgische Spielkartenstadt ist, so wie Altenburg in Deutschland. Mittlerweile wird auch Einiges exportiert, insbesondere in die USA.
Schuppen Boer (8,5% Vol.)
Art und Herkunft: Tripel, Scheldebrouwerij (Meer), Belgien (Prov. Antwerpen)*
Aussehen und Aroma: Eine hohe, feste Krone über einem goldgelben Bier. Trüb. Sehr kräutrig in der Nase. Wacholder. Süßholz?
Geschmack: Leicht herb und trocken. Süßliche Noten: Sanddorn.
Abgang: Ziemlich lang. Ebenfalls trocken.
Fazit: Ganz trinkbar, aber da Tripel nicht meine Lieblingssorte ist, nichts (für mich) für den ganzen Abend. Sehr magenfüllend.
Herten Heer (6,5% Vol.)
Art und Herkunft: "Blond+Bitter", Brauerei Anders (Halen), Belgien (Prov. Limburg)*
Aussehen und Aroma: Dunkelgelb mit deutlichem Rotstich. Trüb. Schnell zusammenfallende Krone. Ein frisches und fruchtiges Aroma. Leicht. Rote Weingummischnüre.
Geschmack: Wenig(er) Kohlensäure. Bitter bis fruchtig. Frische Beeren. Wird leider schnell schweflig. Plattfuss fühlte sich an Ducksteiner erinnert.
Abgang: Mittel. Die Frucht klingt leise aus, dann trocken. Bitterer Nachhall.
Fazit: Zuerst sehr angenehm. Ab dem Mittelteil leider etwas furzig-faulig. Die Nase verspricht mehr als der Geschmack hält.
Schuppen Aas (6,5% Vol.)
Art und Herkunft: "Bernsteinfarbenes Spezialbier", Brauerei Anders (Halen), Belgien (Prov. Limburg)*
Aussehen und Aroma: Dunkler Bernstein, trüb. Sehr hohe, stabile Krone. Fast komplett neutraler Geruch. Etwas metallisch?
Geschmack: Frisch und trocken. Sehr hopfig. Bitterer im Mittelteil.
Abgang: Kurz bis mittel. Bitterer Nachklang.
Fazit: Frisch und gut trinkbar. Recht neutral, keine Fruchtnoten.
Gesamtfazit: Das Schuppen Aas war für mich am zischigsten, aber auch am neutralsten. Am zweitbesten fand ich das Schuppen Boer. Herten Heer hat mich etwas enttäuscht, hauptsächlich wegen der deutlichen Schwefligkeit.
*Anmerkung: Das Schuppen Boer wurde wohl letztes Jahr noch bei der Scheldebrouwerij hergestellt, von der ich auch schon mal das eigene Lamme Goedzak verkostet habe. Mittlerweile werden anscheinend fast alle Biere von Het Nest bei Anders hergestellt, einige wenige bei Pirlot.
Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 9. Mai 2014.
- Euer Tomas Aquinas
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