Nachdem mich der Basis-Finlaggan Anfang des Jahres positiv überrascht hatte, griff ich ein paar Monate später gerne zu, als sein Bruder, der Old Reserve, vor mir im Regal stand. Der Name ist nicht ganz selbsterklärend, denn so "alt" wie der Old Reserve tut, wird er wohl nicht sein - auch hier fehlt die Altersangabe (der Einzige, der bei Finlaggan eine hat, ist übrigens ein Zehnjähriger). Auf jeden Fall kostet er in der Regel etwa genau so viel wie bzw. geringfügig mehr als die Basisversion, was ja auch ganz nett ist. Auf der Verpackung findet sich ein Zitat von Whiskypapst (naja, einem der Whiskypäpste) Jim Murray persönlich, welches angeblich aus dem Jahr 2004 stammt:
BRILLIANT. This is simply awesome. If you don’t get a bottle of this, you’ll regret it for the rest of your life!
Nun gut, wir glauben das einfach mal. So dreist lügen würde die Vintage Malt Whisky Company ja hoffentlich nicht.
Einige Zeit, nachdem ich den Old Reserve gekauft und getrunken hatte, war ich mal wieder beim nächstgelegenen Verbrauchermarkt, um mir einen möglichst torfigen, möglichst günstigen Single Malt so "für alle Tage" zu holen. Die Auswahl im von mir angepeilten Preissegment war nicht groß, so griff ich - vermeintlich - zu einem alten Bekannten, nämlich dem Original Peaty, der dort in der üblichen Pappschachtel stand. Ich schaute nicht rein, der Karton war ja voll. Die Kassiererin schaute rein, aber nur auf die Banderole. Als ich zu Hause ankam, merkte ich dann, dass in der Pappschachtel gar nicht der Original Peaty, sondern der Original Peaty Cask Strength steckte. Und so konnte es denn auch zum heutigen Doppelreview kommen.
Man kann mir nun natürlich vorwerfen, ich sei nicht ganz ehrlich gewesen: Schließlich ist der Cask Strength doch gut sechs EUR teurer als der "Normale". Kann ich nicht ganz von der Hand weisen. Aber
- ich hatte die Schachteln nicht selbst vertauscht
- ich wusste nicht, dass die Schachteln vertauscht worden waren
- die Kassiererin hatte auch nichts bemerkt, trotz Nachschauens
- wäre ich zurückgefahren, hätte ich nochmal Zeit und Sprit für gut 35 km verbraucht
Ganz ehrlich gesagt war ich aufgrund der oben aufgezählten Gründe geneigt, den Whisky zu behalten und zu hoffen, dass es sich karmisch nicht allzu negativ auswirken wird.
Finlaggan Old Reserve NAS (40% Vol.)
Art und Herkunft: Single Malt, Islay
Besonderheiten: farbjustiert
Aussehen und Aroma: Dunkles Strohgold. Der Torf steht deutlich im Raum. Beim zweiten Schnüffeln Zitrus, frisch gemähtes Gras. Sommerwiese, Kräuter. Recht frisch. Seeluft.
Geschmack: Ein weiches Mundgefühl, jedoch etwas dünn. Eukalyptus und Orangenzeste auf der Zunge. Im Mittelteil weihnachtlich. Nelken. Spürbarer aber nicht übertriebener Torf. Nasses Heu und deutliche Süße.
Abgang: Lang und ledrig. Räucherspeck.
Fazit/Tipp: Für um die 30,- EUR ein sehr trinkbarer Whisky. Kaufempfehlung! Insgesamt recht frisch und würzig. Der Zusatz von Wasser lohnt sich nicht unbedingt, der Old Reserve hat dafür nicht genug Reserven ...
Finlaggan The Original Peaty Cask Strength (58% Vol.)
Art und Herkunft: Single Malt, Islay
Besonderheiten: farbjustiert, in Fassstärke abgefüllt
Aussehen und Aroma: Goldgelb. Sehr kräftige Nase. Einerseits duftige Noten, die an Lösungsmittel oder Lacke denken lassen. Holzlasur? Andererseits auch süßlich-torfige Einflüsse, leicht medizinisch. Auch etwas erdig. Moos.
Geschmack: Ein sehr aggressiver, scharfer Antritt. Stark wärmend. Zunächst eine gewisse traubige Süße auf der Zunge, danach setzt ein Prickeln ein, welches durchaus an Chilischoten erinnert. Anders als bei einem Talisker etwa sitzen diese aber direkt vorne in der ersten Reihe. Im Mittelteil finden wir dann recht ordentlich Torf - allerdings eher Torfboden, weniger Torffeuer.
Abgang: Sehr lang und warm. Die Süße dauert bis zum Ende hin. Es wird dann auch extrem trocken auf der Zunge.
Fazit/Tipp: Ein sehr anständiger Whisky mit ordentlich Bums. Ein paar Minuten des Atmens tun ihm definitiv gut. Er ist unverdünnt aber auch nix zum Runterkippen. Etwas Wasser kann er definitiv gut vertragen, denn er wird damit definitiv runder und weicher am Gaumen. Gleichzeitig wird die Süße intensiver, die Schärfe auf der Zungenspitze bleibt jedoch (glücklicherweise) erhalten.
Gesamtfazit: Für einen Sieger im Duell möchte ich mich nicht entscheiden, dafür sind die beiden Whiskys doch zu unterschiedlich. Mit keinem von beiden macht man etwas verkehrt, sollte aber die eigenen Neigungen berücksichtigen, wenn es um ein entweder/oder geht. Der Old Reserve ist mir zum Beispiel etwas lieber, wenn es nur ein Schluck nebenbei sein soll. Auf den Cask Strength muss man sich stärker einlassen.
Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 20. Dezember 2014.
- Euer Tomas Aquinas
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