Heute haben wir Karfreitag, den Höhepunkt der Fastenzeit. Und weil die guten Christen zu allen Zeiten gefastet haben, gleichzeitig aber auch irgendwie mit ihren Leben klarkommen mussten, brauten und brauen die Mönche seit eh und je Bier, denn "Flüssiges bricht Fasten nicht". Ein guter Zeitpunkt also für mich, eine kleine Reihe über Biere zu beginnen. Genauer gesagt: Biere, die nicht jeder kennt. Biere aus Mikrobrauereien.
Kleine Brauereien sind mir eigentlich schon seit den Neunzigern ein persönliches Anliegen. Selbstverständlich haben die Großen, national und international (man denke an Riesen wie Anheuser-Busch bzw. InBev), ihre Berechtigung. Und es entstehen ja auch gute Biere, in Deutschland oder anderswo. Aber es hat natürlich doch einen ganz anderen Stellenwert, wenn man zum Beispiel auf ein Bierfest - sagen wir nach Brügge - fährt und da drei junge Leute trifft, die einfach mal ein bisschen rumexperimentieren wollten mit Bier. Oder familiengeführte Kleinstbrauereien, wo Mutter und Sohn noch gemeinsam die Kisten aus dem Lieferwagen wuchten. Ist halt so, wie wenn man Schuhe beim Schuhmacher kauft anstatt in einer Schuhladenkette. Es ist vielleicht nicht so bequem, allermeistens teurer - aber eben auch viel netter und oft auch hochwertiger. Gut, egal. Auf jeden Fall habe ich mich mit ein paar "kleinen" Bieren eingedeckt und werde sie so nach und nach hier vorstellen.
Beginnen möchte ich mit einem Bier aus der nicht ganz weit entfernten Stadt Werther in Westfalen (der Böckstiegelstadt, wie ich zu meinem Erstaunen feststellen musste). Hier braut Michael Zerbst seit Mitte der Neunziger lustig vor sich hin, wie er auf der Homepage seiner Brauerei Rotingdorf berichtet, am Anfang mit recht abenteuerlichen Mitteln. Mittleweile aber sehr erfolgreich auf einer kleineren Anlage.
Zu verdanken habe ich die Verkostung heute übrigens einer sehr, sehr lieben Freundin aus Werther und ihrer Mutter, die ein paar Flaschen klar gemacht hat. Leider wollte die liebe Freundin aus mir unbekannten Gründen ungenannt bleiben, aber sie weiß ja, wer gemeint ist ...
Rotingdorfer ist nämlich für Leute, die nicht in der Region wohnen, recht schwer zu bekommen - jedenfalls ohne Beziehungen, schätze ich. Die Liste der Bezugsquellen schweift weitestens nach Dissen und Melle - aber dann ist auch Schluss. Nach einem nicht datierten Fernsehbericht komme ich auf so etwa 360 Hektoliter Ausstoß an Bier pro Jahr (es war von 3.000 Liter pro Monat die Rede). Selbst wenn ich mich verrechnet haben sollte - was öfter mal vorkommt - bleibt doch die Tatsache, dass es sich hier wirklich um eine Kleinbrauerei im besten Sinne handelt, die ihren Gerstensaft natürlich nicht so einfach in alle Himmelsrichtungen verjuckelt. Wozu solch eine Knappheit im Ernstfall führen kann, zeigt ja die Brauerei Westvleteren in Belgien recht eindeutig und erschreckend.
Aussehen und Aroma: Rotingdorfer kommt in einer ganz netten, langshalsigen Braunglasflasche. Von der Form her an einen Braukessel erinnernd? Das Etikett ist recht schön gestaltet: rot-weiß, die Stadtfarben von Werther. Irgendwo habe ich gelesen, dass ein Rezensent das Rotingdorfer Bier als "Pils" angesprochen hat. Ich bin da skeptisch ... weder die Flasche noch etwas anderes geben Aufschluss. Aber es muss ja auch keins sein, unbedingt. Im Glas zeigt sich das Bier honigfarben, mit einem leichten Rotstich und etwas naturtrüb. Ein freundliches Perlen kommt hinzu und stimmt hoffnungsfroh. Die Nase nimmt leicht säuerliche, hefige Nuancen wahr.
Geschmack: Ein frischer, reiner Antritt. Dann zunehmend herber, starker Hopfen.
Abgang: süßlicher, malzig.
Fazit: Ein sehr schönes Beispiel für ein wirklich gut gelungenes Bier aus einer Mikrobrauerei. Kein wildes Experiment - jedoch charaktervoll genug, um nicht langweilig zu sein. Sehr erfrischend und gut zu trinken. Michael Zerbst schreibt, er plane einen Whisky. Darauf bin ich auch schon gespannt.
Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 14. April 2012.
Picture Credits: "Rotingdorfer": Ju Noh Hu
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