Vor recht langer Zeit hatte ich ja das letzte Mal Gelegenheit, einen Whisky aus Indien zu rezensieren, den von mir eher wenig geliebten Sikkim. Im damaligen Artikel habe ich dargelegt, dass man mit dem Begriff "Whisky" im Falle des Subkontinents eher vorsichtig sein sollte, da die örtlichen Gesetze betreffs der Kennzeichnung notorisch lax sind und z.B. (wie übrigens auch in anderen Ländern der Fall) die Verwendung von Neutralalkohol/Industriesprit erlauben.
Dass es in Indien überhaupt eine florierende Getränkekultur und -industrie gibt, dürfte der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien zumindest teilweise geschuldet sein, denn rein historisch und traditionell liegt eine große Bandbreite an Alkoholika durchaus nicht nahe, sind doch die meisten Inder Hindus (strenggläubige Hindus nehmen keinen Alkohol zu sich), mit signifikanten moslemischen Minderheiten. In der Kolonialzeit hatten sich jedoch bestimmte Teile der herrschenden Eliten (Verwaltung, Militär, Handel, Industrie) an den westlichen Lebensstil ihrer ausländischen Herren angepasst (auch in Kleidung und Sprache) und dies nach Ende der Fremdherrschaft beibehalten ... man muss nur einmal indische Soldaten beim Exerzieren beobachtet haben, um zu sehen, dass die militärischen Umgangsformen immer noch so ziemlich 1:1 von der britischen Armee stammen.
Amrut Distilleries (AD) wurden kurz nach der Unabhängigkeit Indiens gegründet und haben ihren Hauptsitz immer noch in Bangalore. Schon lange Zeit produzierte man "typisch indische" Whiskys, indem man etwa schottischen Whisky importierte und diesen mit indischen Produkten verschnitt (wie auch heute noch beim von AD produzierten MaQintosh). Außerdem hergestellt wurden und werden Brandys, Rums, Gin und Wodka, also eine fast repräsentative Bandbreite stark alkoholischer Getränke. Im Whiskyportfolio finden sich neben dem bereits erwähnten MaQintosh (dessen Label verdächtig bei Johnnie Walker abgekupfert scheint, außer dass der Herr steht, nicht läuft) noch der schottische Blend MaQ sowie die Serie Prestige, über die auf der Webseite nicht viel zu erfahren ist, bei der es sich jedoch um einheimische Blends handeln dürfte. Den Single Malt namens Amrut gibt es noch gar nicht so lange, anscheinend seit gut Mitte der Neunziger, als man feststellte, dass zu viel Single Malt (den man bisher zur Herstellung von Blends herangezogen hatte) auf Halde lag. Also ihn als Single Malt verkaufen. Aber natürlich war der Start in Europa schwer, da sich das Zielpublikum generell schwer tat (es waren ja die Neunziger) mit der Idee, Single Malts könnten überhaupt außerhalb von Schottland hergestellt werden. Allerdings schnitt der Amrut regelmäßig bei Blindverkostungen hervorragend ab und wurde auch von Experten (Jim Murray!) sehr positiv besprochen, was zur Folge hatte, dass die Erzeugnisse mittlerweile auch international reüssieren können. Zugute kommt den Single Malts von Amrut dabei, dass sie ganz so hergestellt werden wie Whiskys in Schottland auch, bis hin zur Lagerung in Eichenfässern. Zwei Besonderheiten gibt es: Die Whiskys sind - nach europäischen Maßstäben - sehr jung (zwischen drei und fünf Jahren), dies tut der Trinkbarkeit jedoch keinen Abbruch, da sie aufgrund des tropischen Klimas gut dreimal so schnell reifen wie etwa in Schottland. Zweitens ist die Verdunstung (der bekannte Angels' Share) mit etwa zehn Prozent gut fünfmal so hoch wie in kühleren Gegenden.
Das Sortiment an Single Malts ist mittlerweile sehr umfangreich: Zur Core Range gehören der reguläre Single Malt, die getorfte Version, der Fusion (schottische und indische Gerste), der heute besprochene Cask Strength sowie der getorfte Cask Strength. Darüber hinaus gibt es noch einige Sondereditionen wie den Amrut 100 (proof, also nach britischem Maß mit einem Alkoholgehalt von 57,1%). Allen Amruts gemeinsam ist die fehlende Altersangabe sowie die Tatsache, dass sie nicht kaltgefiltert sind. Den Cask Strength habe ich 2012 geschenkt bekommen: im Einzelhandel kostet er um die 50 EUR,- aufwärts.
Art und Herkunft: Single Malt, Indien (Karnataka)
Aussehen und Aroma: Hellgolden, mit einem leichten Grünstich. Schöne Metalltube als Verpackung. Ein kleines Produktheftchen lag bei. In der Nase ein extrem auffälliger Kaffee-Einschlag. In Weinbrand getauchtes Bisquit. Bourbonfass kommt leicht durch.
Geschmack: Süß und seidig auf der Zunge, aber auch atemberaubend. Kräftig. Buttrig. Kaffee und Kakao.
Abgang: Eher lang, viele Gewürznoten, insbesondere schwarzer und weißer Pfeffer.
Fazit/Tipp: Ein sehr, sehr empfehlenswerter Whisky mit vielen Geschmacksreserven. schön konstruiert und hinreichend exotisch. Wasser ist angesagt. Nach dessen Zugabe zeigen sich noch gebuttertes Popcorn, der Abgang wird trockener und schwungvoller.
Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 5. April 2014.
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