Als ich vor ein paar Jahren angefangen habe zu bloggen, hat mich jemand in einem Forum gefragt (ich glaube, es war kurz nachdem ich den Old House No. 1 besprochen hatte), warum ich denn auch "so billige Sachen" probieren würde. Ich hätte natürlich antworten können, dass "billig" ja nicht immer schlecht ist - manche Dinge sind ja auch einfach nur "preiswert", also ihren Preis wert. Und dass es auch versteckte Juwele gibt, wo man sie gerade nicht sucht. Aber eigentlich ist etwas ganz anderes wichtig: In Umberto Ecos großem Roman Der Name der Rose gibt es eine Stelle, wo der Bibliothekar eines großen Klosters gefragt wird, warum er in seiner Bibliothek denn neben den ganzen Bibeln und christlichen Handschriften auch Bücher von Heiden und Ketzern aufbewahrt. Er antwortet irgendwie sowas wie: wir sammeln auch die Bücher, von denen wir wissen, dass sie nichts als Irrtümer und Ketzereien und Gotteslästerung enthalten, denn selbst in diesen Büchern sehen wir, wenn auch verzerrt, die Handschrift unseres Gottes. Und das, liebe Leser, ist eigentlich eine schöne Begründung dafür, warum ich hier im Blog auch manchmal Getränke aus Gottes großer Grabbelkiste verkoste ... und sei es auch nur, damit ich die schönen Dinge im Leben weiterhin zu schätzen weiß.
Der verlorene Sohn (um mal in der biblischen Sprache zu bleiben), den ich heute teste, hat bei mir von Anfang an wenig Hoffnung ausgelöst, dass er ein verstecktes Schätzchen sein könnte. Es handelt sich um den Hauswhisky der großen niederländischen slijterij (Schnapsladen) - Kette Gall & Gall, die man bei unseren westlichen Nachbarn in jeder größeren Stadt als Fillialgeschäfte sowie eingebettet in die diversen Einkaufszentren findet. Die Firma rühmt sich, über 40 Produkte unter ihrer eigenen Hausmarke zu verkaufen, worunter auch Wein, Rum, Jenever, und so weiter und so fort. Innerhalb dieser Serie finden sich insgesamt drei Whiskys, deren Etiketten ähnlich einfach gestaltet sind wie die der anderen Getränke, die jedoch von der Farbgebung her wohl an die jeweiligen Platzhirsche in diesem Segment erinnern sollen. So ist der hier verkostete Scotch mit einem roten (erinnert an Johnnie Walker), der irische Whisky mit einem grünen (Tullamore Dew) und der Tennessee Whisky mit einem schwarzen Etikett (Jack Daniel's) ausgestattet. Was natürlich überhaupt nicht heißt, dass diese in den Flaschen sind ... das wäre bei den Preisen auch sehr überraschend. Wenn man bedenkt, wie relativ teuer der Schnaps in den Niederlanden ist (zum Vergleich: Talisker 10 in Deutschland knapp um die 30,- EUR ... bei Gall & Gall satte 40,49!), dann wird man wohl bei einem schottischen Blend für 9,99 nicht sehr viel erwarten dürfen. Auch wenn er laut Aufdruck "aus den besten Whiskys Schottlands" gemacht wurde. Aber schauen wir mal.
Art und Herkunft: Blended Scotch Whisky
Aussehen und Aroma: Sehr dunkler Bernstein. Wirkt künstlich. Sehr spritige Nase, sonst wenig zu finden. Roggen. Unangenehm fischige Noten. Matjes?
Geschmack: Bitter - die Grain Whiskies schlagen voll durch. Wässriges Mundgefühl. Etwas Süße im Mittelteil. Nähmaschinenöl.
Abgang: Kurz und rasant. Scharfer Afterburner. Trockener Mund.
Fazit/Tipp: Einen anständigen Whisky bekommt man wohl für unter 10,- EUR in den Niederlanden nicht. Mein Lieblingswhisky im unteren Preissegment (Teacher's) kostet dort (jedenfalls bei G&G) schon knapp 18,- EUR, ist im Vergleich zum Hauswhisky aber jeden Cent wert. Der Gall & Gall Scotch wirkt eindimensional, harsch und lieblos zusammengestellt. Nee bedankt.
Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 22. März 2014.
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