Immer, wenn ich in London bin (und das ist - ehrlich gesagt - weniger häufig, als mir eigentlich lieb wäre), benehme ich mich wie ein guter kleiner Tourist und lasse mich zumindest ein einziges Mal bei Harrods in Knightsbridge sehen. Der laute Herr Fayed hat den Laden ja vor einiger Zeit an eine Holding verkauft, aber leider weht der Geist seiner Großmannssucht und Lust zur Übertreibung immer noch durch die Gänge. Das grauenvoll geschmacklose Dodi-und-Diana-Denkmal kann ich gottlob meistens meiden, da ich mich in der Regel im Erdgeschoss, in den wundervollen, im Jugendstil erbauten, Food Courts (vulgo Lebensmittelabteilung) aufhalte. Gerne lasse ich mir auch von den jungen Damen und Herren Kostproben von französischem Weißbrot mit Trüffelpastete reichen, aber beim letzten Besuch zog es mich schnell in Richtung der Getränke. Selbstverständlich ist diese Abteilung - wie alle anderen - mit erlesenen Köstlichkeiten bestückt, allerdings dominieren hier, gefühlt, Wein und Champagner. Die Spirituosenecke kann sich natürlich ebenfalls sehen lassen, aber von ein paar Ausnahmen abgesehen findet man hier keinesfalls eine besonders exotische Auswahl. Die Whiskys alleine nehmen vielleicht zwei bis drei Regalmeter ein, danach ist dann aber auch Schluss. Und neben Besonderheiten wie dem Port Ellen von 1973 (unerschwinglich) stehen dann auch Johnnie, Jack und Jim einträchtig nebeneinander, zu einem etwas höheren Preis als im Supermarkt, versteht sich. Mr. D, der an diesem Tage diensttuende Cerberus, merkte wohl meine leichte Enttäuschung und ließ sich dazu herab, mir ein oder zwei wirkliche Neuigkeiten bzw. Seltenheiten zu zeigen. Unter anderem ein Advance Release der Reihe Old Malt Cask von Douglas Laing. Diese so genannte "Vorabveröffentlichung" wird ausgewählten Einzelhändlern zur Verfügung gestellt, bevor die Serie offiziell in den normalen Vertrieb geht ... und Harrods gehört natürlich stets zum erlauchten Kreis der Bevorzugten. Leider hat diese Exklusivität auch so ihren Preis: umgerechnet etwa 130,- EUR wurden für die 0,7 Liter zehnjährigen Fettercairn ausgerufen, sodass ich mich aus Vernunftgründen dann doch für die Miniatur (0,2 l für 26,- EUR) entschied.
Der Abfüller Douglas Laing ist bereits seit 1948 im Geschäft. Das Unternehmen aus Glasgow, welches sich immer noch in Familienbesitz befindet, konzentrierte sich in den ersten fünf Jahrzehnten alleine auf den Handel mit Whiskys sowie auf das Blending, bevor man pünktlich zum Firmenjubiläum im Jahr 1998 damit begann, eigene Serien verschiedener Single Malts aufzulegen. Die erste dieser Serien nannte - und nennt sich auch heute noch - Old Malt Cask. Die unter diesem Namen abgefüllten Whiskys sind nicht kaltfiltriert und nicht gefärbt; außerdem handelt es sich durchgängig um Single Casks, welche in einer Stärke von 50 Umdrehungen auf Flaschen gezogen werden. Für den schmale(re)n Geldbeutel gibt es eine - im Umfang reduzierte - Kollektion der oben erwähnten Flaschen mit 200 ml. Darüber hinaus bringt Douglas Laing (DL) auch zahlreiche andere Reihen heraus, unter anderem die sehr bekannte McGibbon's Provenance, die Fassstärke-Serie Director's Cut, die sehr hochwertige und -preisige Old & Rare und noch andere. Auch im Blending ist man immer noch tätig: sowohl der Blended Malt Big Peat als auch der Kult-Blended Scotch aus den 70ern, John Player Special, stammen aus dem selben Haus.
Schließlich die Brennerei selbst: Fettercairn, bis vor etwa zehn Jahren auch unter dem Namen Old Fettercairn firmierend. Gehört nach vielen Irrungen und Wirrungen, inklusive einer längeren Schließung in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts (erneut) zur Firma Whyte & Mackay und somit zum indischen Industriekonglomerat UB Group von Vijay Mallya. Innerhalb deren Tochtergesellschaft United Spirits Limited versammeln sich somit nebst traditioneller schottischer Marken wie Fettercairn, Jura und Dalmore auch verschiedene andere (indische) Whiskys, zusätzlich zu Rum, Brandy, Wodka und Gin.
Seit 2002 heißt der Single Malt offiziell Fettercairn 1824, nach dem Gründungsjahr der Destillerie, welche kurz nach der Liberalisierung der Schnapssteuergesetzgebung erbaut wurde. Die Produktion fließt traditionell zum großen Teil in die Hausblends von Whyte & Mackay. Der heute besprochene Zehnjährige aus DLs Old Malt Cask-Reihe wurde laut Etikett im Oktober 2002 hergestellt und im November 2012 abgefüllt (Hogshead, Fass Nummer 9304).
Bild: TAQ
Art und Herkunft: Single Malt, (Eastern) Highlands
Aussehen und Aroma: Recht dünnflüssig, hell, sieht aus wie Weißwein, leichter Grünstich. Ein frisches Aroma, mit leicht nussigen Noten und Spargel. Viel Aceton. Etwas Jod.
Geschmack: Zuerst süß, dann leicht fruchtig im Mittelteil. Kiwi, sehr spät dann auch noch Apfel. Strenge Beimischung, Gummireifen und lackiertes Holz. Viel alkoholische Schärfe.
Abgang: Mittellang und süßlich. Kaum Nachklang im Mund.
Fazit: Im Geschmack deutlich angenehmer als im Geruch. Für einen Zehnjährigen sehr aussdrucksstark und duftig. Die schon erwähnte Gumminote mag ich nicht so gerne, sie wird den Fettercairns allerdings öfter nachgesagt. Geeignet Abends vor dem Essen. Bin froh, dass ich ihn hatte; etwa 100,- EUR für die große Flasche würde ich persönlich allerdings nicht unbedingt mehr ausgeben wollen.
Tipp: Den Zusatz von Wasser kann ich in diesem Fall uneingeschränkt empfehlen, um das doch sehr dominante Ethanol abzumildern.
Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 4. Mai 2013.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen