Sonntag, 8. November 2020

Sind so kleine Biere, Folge 110: Wentersch

 Eines mal ganz schnell vorweg, bevor wir uns in die Haare kriegen. Die Brauerei wird nicht "WenterSCH" ausgesprochen, so mit einem dicken fetten "sch" wie in Schwamm oder Scheiße oder so. Das niederländische "sch" am Ende des Wortes wird wie ein etwas vernuscheltes "s" gesprochen. Auch nach knapp 35 Jahren in Deutschland treibt mich das echt in den Wahnsinn, wenn Deutsche das "sch" so grauenvoll verhunzen. Und wo wir gerade davon reden: der niederländische Fußballer und Trainer wird nicht "Ruth Gullitt" ausgesprochen, sondern "Rüüd Chüllid". Und der belgische Fußballer heißt nicht "Käwin die Bräune", sondern "Kevin de (kurz!) Bröjjne". Um Himmels Willen nochmal ...

Räusper. Sorry für den Rant. Es geht also heute um niederländische Biere der Marke Wentersch (nett, mit deutscher Version). Der Name bezieht sich auf die Gemeinde Winterswijk im Achterhoek; die lokale Mundart bezeichnet man als Niedersächsisch bzw. Nedersaksisch, was jedoch sehr wenig bis gar nichts mit dem gleichnamigen deutschen Bundesland zu tun hat. Die Brauerei wurde 2016 gegründet und produziert, wenn ich es richtig mitbekommen habe, seit 2017. Die Webseite vermeldet, dass die Brauanlage von der österreichischen Firma Labu Buchrucker gebaut wurde, welche sich auf den Bedarf großer Hobbybrauer bzw. kleiner gewerblicher Brauer spezialisiert hat. Bei meinem letzten Besuch in Enschede (kurz vor dem 2. Kapitel dieser saudämlichen Pandemie) habe ich einfach mal im Albert Heijn kräftig ins Regal gegriffen und ein paar Flaschen in den Einkaufswagen gelegt.


Wentersch Gevloerd (6,0% Vol.)

Art und Herkunft: Spezialbier/Weizenbier, Niederlande (Gelderland).

Besonderheiten: Das Malz kommt von einem traditionellen Malzboden aus der Region.

Aussehen und Aroma: Hellgelb, trüb, mit großer, stabiler Krone. Ganz leichte Zitrusnoten.

Geschmack: Beginnt wie ein traditionelles Witbier, hat aber gleich einen kräftigen sauren Nachlauf. Etwas fruchtig, Brausebonbon.

Abgang: Kurz und schmerzlos.

Fazit/Tipp: Kann man gut trinken; zuerst etwas überraschend, aber nicht unangenehm.


Wentersch Pomp 4 (10,0% Vol.)

Art und Herkunft: Quadrupel, siehe oben.

Besonderheiten: Mit Zusatz von Kandiszucker.

Aussehen und Aroma: Rotbraun und noch leicht durchsichtig; die Probe hatte (anders als auf den Werbefotos der Brauerei) praktisch gar keine Krone. In der Nase Wein oder Weingummi. Röstaromen von Schwarzbrot.

Geschmack: Sehr süßer Antritt mit roten Johannisbeeren. Feinperlig und vollmundig. Ganz dezenter kaffeeartiger Nachbrenner.

Abgang: Mittellang, der süßliche Beerengeschmack vom Anfang bleibt uns - mit einigen herben Nuancen - erhalten.

Fazit/Tipp: Das Pomp 4 hat uns gut geschmeckt, aber wir waren uns einig, dass es doch recht schwer ist und man eventuell vorher eine kleine "Grundlage" im Magen haben sollte.


Wentersch IPA (6,5% Vol.)

Art und Herkunft: IPA, siehe oben.

Besonderheiten: Diese Edition ist anscheinend ausgelistet. Das gegenwärtige IPA hat ein anderes Etikett und auch 1/2 ABV mehr.

Aussehen und Aroma: Goldgelb, feste große Krone mit sehr starker Sedimentierung. Leichte tropische Frucht.

Geschmack: Sehr herber Antritt, Säuerlich mit Ahnungen von schwarzem Tee und bitterer Orangenmarmelade.

Abgang: Mittelang und weiterhin sehr herb.

Fazit/Tipp: Der Trinkgenuss wird ein bisschen durch die starke Anwesenheit von Schwebeteilchen und Schlotze gemindert, ansonsten ist es an und für sich ein recht standardmäßiges IPA. Leider trinkt das Auge doch mit; wir mochten die Probe nicht bis zur Neige leeren 😒.


Wentersch Aan de Tripel (9,0% Vol.)

Art und Herkunft: Tripel, siehe oben.

Besonderheiten: Mit Zuckerzusatz.

Aussehen und Aroma: Bernsteinfarben, mit wenig Krone. Relativ neutraler, leicht süßlicher Geruch, etwas metallisch.

Geschmack: Fruchtiger Antritt mit Orangenschale und überreifen Früchten. Ganz leichter Anflug von Honig. 

Abgang: Relativ lang und auch noch süß-fruchtig.

Fazit/Tipp: Könnte etwas mehr Kohlensäure haben, ansonsten durchaus angenehm. Für ein Tripel an und für sich recht locker zu trinken.


Wentersch R.I.S. (9,0% Vol.)

Art und Herkunft: Russian Imperial Stout, siehe oben.

Besonderheiten: Mit Hafer, Weizen, und Gerste.

Aussehen und Aroma: Schwarz und undurchsichtig wie die Seele Josef Stalins. Keine Krone. Sirupartiger Geruch. Dunkle Früchte: Brombeeren und schwarze Johannisbeeren.

Geschmack: Für ein Russian Imperial eigentlich noch recht frisch auf der Zunge; nicht so ölig wie manch andere. Geschmacklich gar nicht sooo viel Kaffee oder Schokolade (obwohl natürlich dennoch anwesend), sondern unerwartet eher mehr Weintraube und/oder Rosine. Etwas Pflaume oder generell Dörrobst. Leichte Säure.

Abgang: Eher lang und säuerlich. 

Fazit/Tipp: Ich bin kein so sehr großer Freund von Russian Imperial Stouts, aber dieses hier finde ich wirklich ganz gut gelungen.

Gesamtfazit: Ich persönlich fand tatsächlich das R.I.S. und das Tripel am besten. Ansonsten fällt es uns schwer, so etwas wie einen spezifischen "Hausstil" zu erkennen. Sicherlich noch mal eine weitere Probe wert. Ein paar mehr Biere hat Wentersch ja noch.

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 15. November 2020.

Verkostung: Plattfuss, Tomas A.

Text: Tomas A.

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