Sonntag, 1. November 2020

Sind so kleine Biere, Folge 109: "Who the Fuck is Knaust?"

Um die Frage nun endlich gleich zu Anfang zu beantworten: Heinrich Knaust war ein frühneuzeitlicher (1520-1580) Theologe und Autor. Im Jahr 1575 erschien zu Erfurt sein umfangreiches Werk mit dem Titel Fünff Bücher Von der Göttlichen und Edlen Gabe der Philosophischen, hochthewren und wunderbaren Kunst, Bier zu brawen. Es bietet nicht nur einen Überblick über die zu seiner Zeit in Deutschland hergestellten Biersorten, sondern auch über ihre Herstellungsweise:

"Wie man ein Bier auf natürliche Weise wohlschmeckend wie Wein macht und das man gut im Sommer trinken kann: in ein  leeres Fass von Beerenwein füllen, dann nimmt es den Geschmack des Weines an und wird schön lauter. Die kölnischen und holländischen Biere (dieser Brauart? - JHB) sind dermaßen gelungen, dass sie oft für Wein gehalten werden (oder genau so gerne getrunken werden - JHB)."

Barrel aging nennt man das heute wohl. Knausts historisches Verdienst ist es, dass wir dank ihm relativ gut über die Zubereitung und auch den Geschmack der damaligen Biere informiert sind, da er ebenfalls Verkostungsnotizen angefertigt hat. Eine Art Bierblogger avant la lettre, könnte man sagen 😉.

Who the Fuck is Knaust ist ein Projekt der Brauereien Überquell (Hamburg), Freigeist Bierkultur (Stolberg) und dem Atelier der Braukünste (Vogelsberg). Gemeinsam haben sie zum 500. Geburtstag von Knaust drei Bierkreationen auf den Markt bzw. in die Flasche gebracht, die zumindest "historische Wurzeln" (in Knaustens Werk?) haben sollen.


Überquell Who the Fuck is Knaust? (5,5% Vol.)

Art und Herkunft: "Historic Ale"/Ale, Deutschland (Hamburg).

Besonderheiten: Gebraut mit Gerste, Emmer, Einkorn, Roggen, Weizen. Lavendel, Meersalz, Kardamom und Wacholderbeeren.

Aussehen und Aroma: Hellbraun bis goldbraun, trüb. Keine Krone. Sehr dezenter Geruch, etwas staubig. Cola?

Geschmack: Salziger Antritt (!), der Wacholder kommt deutlich durch, weiches Mundgefühl.

Abgang: Kurz und leicht süßlich.

Fazit/Tipp: Trotz der exotisch anmutenden Zutatenliste mühelos trinkbar. Weniger auffällig als gedacht.


Atelier der Braukünste Who the Fuck is Knaust? (6,3% Vol.)

Art und Herkunft: "Kartoffelbockwurstweizen"/Weizen, Deutschland (Hessen).

Besonderheiten: Weizen, Gerste, Hafer und Kartoffeln. Die Malze wurden "beim Metzger" geräuchert.

Aussehen und Aroma: Weißgold und trüb mit fester Krone. In der Nase ganz deutlich Bockwurst und Berliner Kartoffelsalat. Estragon.

Geschmack: Essigperlender säuerlicher Antritt. Erinnert geschmacklich etwas an ein Lambiek. Rauchig.

Abgang: Kurz, aber immer noch rauchig.

Fazit/Tipp: Ein ideales "Fastenbier" für diejenigen, die sich den abendlichen Gang zum Imbiss sparen möchten.


Freigeist Bierkultur Who the Fuck is Knaust? (8,2% Vol.)

Art und Herkunft: Braunschweiger Mumme, Deutschland (NRW).

Besonderheiten: Gebraut mit Gerste, Weizen, Zuckersirup, Wacholderbeeren, Thymian, Majoran und Pflaumen.

Aussehen und Aroma: Haselnussbraun bis rubinrot, kleine und feste beigefarbene Krone. Der Wacholder und der Thymian kommen stark durch. Für die Pflaume braucht man etwas Fantasie. Weingummi.

Geschmack: Feinperlig auf der Zunge. Hier kommt die Pflaume doch noch mal zur Geltung, ebenso das Weingummi aus dem Nosing. Überreife Früchte. 

Abgang: Mittellang und fruchtig-herb.

Fazit/Tipp: Mir persönlich ein bisschen zu wenig flepp und auch etwas anstrengend.

Gesamtfazit: Alles trinkbar, wenn auch vielleicht nicht literweise. Mein persönlicher Favorit des Abends: Der flüssige Kartoffelsalat mit Bockwurst.

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 8. November 2020.

Verkostung: Plattfuss, Tomas A, Jan B.

Text: Jan B.




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