Sonntag, 21. April 2019

Endstation Sehnsucht: Kneipentour im Bahnhofsviertel

Eigentlich wollten wir ja vor Ostern nichts mehr schreiben, also betrachtet diesen kleinen Erfahrungsbericht einfach als feiertäglichen Bonuscontent für unsere treuen Leserinnen und Leser. An und für sich wollten wir in der letzten Woche ein neues Bier für Braugarten auf den Weg bringen, aber als die Temperaturen dann in Richtung sechs Grad purzelten, waren wir nicht sicher, ob das so eine gute Idee wäre, denn schließlich sind unsere Produktionsanlagen ja dem Wind und dem Wetter recht schutzlos ausgeliefert, wenn sie einmal aufgebaut sind.

So beschlossen wir, eine seit längerem gehegte Idee in die Tat unzusetzen: einen schönen bar crawl im und um das Osnabrücker Bahnhofsviertel. Auch in unserer kleinen Hasestadt ist es immer schwieriger geworden, eine zusammenhängende Route durch die Kneipen im Stil unserer klassischen Iburger-Straßen-Tour zu finden, wenn man nicht gerade im "Bermudadreieck" der Altstadt unterwegs sein möchte. Aber dieses Mal hatten wir, anders als damals in der Dodesheide, unsere Hausaufgaben gemacht und rechneten nicht mit unwillkommenen und unerwarteten Durststrecken.

Erste Haltestelle: Gleis 11

Nicht der offizielle Name. Es handelt sich um einen traditionellen Erfrischungskiosk am Fernbahngleis nach Amsterdam und Berlin. Zusätzlich hat man einen Wartebereich mit Raucherraum und Ausschank. Die Kaltmamsell muss also zwischen zwei Theken hin und her spurten, gottlob sind sie kaum mehr als drei Meter voneinander entfernt. Ansonsten scheint es durchaus Stammgäste zu geben: drei Herren sind fest mit ihren Barhockern verwachsen; einer von ihnen verabschiedet sich mehrmals "bis morgen", bleibt dann aber doch sitzen. Wir ordern Herrengedecke: Warsteiner (das ordentlich gezapft wird) und jeweils einen unbekannt gebliebenen Ouzo bzw. Weinbrand. Weiter ist nicht viel los; wir begeben uns zügig auf den Weg.

Zweite Haltestelle: (Voll) Abgefahren

Der wirkliche Name dieses Etablissements ist nicht ganz klar: im oben verlinkten Artikel der NOZ heißt es nur Abgefahren, laut Google aber Voll Abgefahren. Die eigentliche Bahnhofskneipe am Osnabrücker Hauptbahnhof und schon so etwas wie eine Institution, die über und über mit den Schals unzähliger Fußballvereine dekoriert ist. Ansgesichts der Anzahl sich um Kopf und Kragen redender Gäste habe ich intern für den Namen Abstellgleis plädiert, werde aber von meinen Autorenkollegen mit resolutem pschscht! zum Schweigen gebracht. Aufgrund der Größe immer noch eine Raucherkneipe, was mich nicht besonders stört, allerdings auch nicht unbedingt zum Genuss der Getränke beiträgt. Neben dem Bier (Krombacher) nehmen wir jeweils einen Lokalhelden, den Mettinger Kräuter-Wacholder von C. Langemeyer, sogar im Originalglas. Ein Spaßvogel an der Theke (er trinkt Kaffee, darum ist er wahrscheinlich auch so unlustig) kommentiert die Bestellung wahlweise mit "ein Mett, höhö" oder auch "ein Oettinger, hö hö", gibt dann aber auf, als ich ihn streng anschaue. Ansonsten hat man nicht viel zu tun, wenn man nicht gerade auf den Zug wartet, knobelt, oder Fußball sieht. Also weiter.

Dritte Haltestelle: Hozo

An und für sich nur die Hotelbar bzw das Bistro des in den letzten Jahren mehrfach umfirmierten Hotel Hohenzollern. Entsprechend ist unser Bitburger auch gleich um fast das Doppelte teurer als am Bahnhof. Skurril: um auf die Gästetoilette zu gehen, benötigt man einen PIN-Code, der einem an der Theke ins Ohr geflüstert wird. Plattfuss überhört, dass man auch noch Sternchen oder Raute drücken muss und tänzelt vor verschlossener Tür minutenlang von einem Fuß auf den anderen.



Vierte Haltestelle: No. 16 Lounge & Bar

In den ehemaligen Räumen der Neuen Mühle, direkt am Hasestauwehr. Ganz nett eingerichtet, noch wenig los als wir gegen 21 Uhr hineinstolpern. Es warten auch Shishas für den, der mag. Muss wohl heute so sein, mich reizt es nicht, aber okay. Unsere Getränke bekommen wir flugs, danach bleiben wir unter uns. Was sich meines Erachtens ganz generell eingeschlichen hat: in "modern" geführten Kneipen gibt es kaum noch Gespräche zwischen Personal und Gast, das ist wohl altmodisch geworden. In vielen Läden (ich meine nicht unbedingt nur das No. 16) habe ich oft das Gefühl, Sinn und Zweck der Arbeit sei - außer dem Hinstellen von Getränken - hauptsächlich die Kommunikation des Thekenmannschaft untereinander bzw. mit ausgewählten Kumpels, die zufällig auch gerade da sind. Ist vielleicht einfacher, aber der erfahrene Gastwirt weiß: wer sich willkommen fühlt, der kommt auch wieder. Was es zu trinken gibt? Wieder Krombacher und einen Schnaps, den ich vergessen habe. Whisky?

Fünfte Haltestelle: Blaubeere

Schon ewig lange an der Ecke von Johanniskirche und Johannisstraße; seit einigen Jahren (nicht nur) aus Imagegründen umfirmiert von ehemals "Johannisbeere". Viele, die ich kenne, finden die Kneipe etwas dubios, man erzählt von Schlägereien. Ich persönlich habe da noch kein unangenehmes Erlebnis gehabt; auch heute bleibt alles im Rahmen. Die Preise sind zivil, auch das Mobiliar wirkt nicht so, als werde es regelmäßig von Gästen als Schlagwaffe verwendet. Was also will man mehr? Brinkhoffs und ein recht kratziger Obstler.

Sechste Haltestelle: Treibhaus

Auch so ein Urgestein des Osnabrücker Nachtlebens, aber für mich irgendwie instantly forgettable. Ich kann mich buchstäblich an nichts erinnern, außer an das Gemurmel der redenden Grüppchen um mich herum.

Siebte Haltestelle: Escobar Lounge

Escobar? Ach herrje, da hat die Marketingabteilung mal wieder Überstunden geschoben. Auch an dieser Stelle, im ersten Stock über der Johannisstraße, gibt es schon recht lange Gastronomie ... wenn mir doch nur einer der früheren Namen einfiele ... Auf uns Mittdreißiger wirkt das Ganze etwas obskur, als wir die Treppen erklimmen. Die Escobar fungiert auch offiziell als Shisha-Höhle (wenn die Welt etwas dringend braucht, dann mehr Shisha-Bars, Barbierläden und Handyshops), mithin wird der Hauptbetrieb im Hinterzimmer abgewickelt, wobei das "Hinterzimmer" deutlich geräumiger und stärker frequentiert ist als der Raum mit der Glasfront zur Straße hin. Außer ein paar erstaunten Blicken bekommen wir anstandslos ein paar Getränke gereicht; hier gibt es nunmehr "nur" noch Flaschenbier (Beck's). Ansonsten überlässt man uns unserem Schicksal. 

Endstation: Grüner Jäger

Der letzte Weg ist gleichzeitig auch der weiteste: zwischen der Escobar und dem Grünen Jäger hat Osnabrück - wenn man durch die Haupteinkaufsstraße wankt - keinerlei Wasserlöcher mehr zu bieten. Der "Jäger" ist, wie man in einer Samstagnacht kurz vor den Feiertagen erwarten darf, brechend voll. Seit ein paar Jahren führt er - nicht ganz ohne gutes Zureden diverser Redaktionsmitglieder von Blog Blong Dring - auch mehr als nur einen einzigen Single Malt auf der Karte, sodass wir noch zu einem wohlverdienten Talisker kommen. Nachdem wir den unseren runter- und Plattfuss den seinen verschüttet hat, wanken alle Beteiligten nach Hause. Ein Kassensturz ergibt, abzüglich Taxifahrt und Catering (der recht neue Samos-Grill in der Johannisstraße), einen Nettobetrag von sechzig Euro, also 7,50 pro Station - das ist nicht schlecht.

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 28. April 2019. Allen Leser*innen einen gesegneten Ostersonntag!

Tour & Verkostung: Tomas A., Jan B., Plattfuss

Text: Tomas A.





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