Sonntag, 16. Januar 2022

Sind so kleine Biere, Folge 131a: Granda (1. Teil)

Für uns war es in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Ereignis: erstens war es das erste Mal seit vielen Monaten (genauer gesagt seit September 2021), dass die gesamte Redaktion von blog blong dring gemeinsam eine Verkostung machen konnte und zweitens haben wir eigentlich noch niemals italienische Biere hier verkostet. Damals, als wir die Produkte von Brasserie 28 probiert haben, hatten wir auch eine Charge der Schwesterbrauerei Toccalmatto dabei, haben sie aber nicht hier vorgestellt und das einzige andere Mal, wo das Thema angerissen wurde, war ein launiger Bericht Toms von seiner Italienreise 2011 (sic). 

Ansonsten haben wir alle drei eigentlich italienische Biere, insbesondere Craftbiere, nicht so wirklich auf dem Schirm, wobei mir bei meiner letzten Reise nach Rom (lange vor der Pandemie) schon aufgefallen war, dass es im Vergleich zu früher doch einige nette Brewpubs mit sehr interessanten Produkten gab, aber naja ... es waren halt auch alles Sachen, die man nicht jeden Tag irgendwo im Edeka findet, besonders nicht in Deutschland.

Granda nun also. Auch firmierend als LA Granda oder - offiziell wohl - Birrificio della Granda. Es war ein Geburtstagsgeschenk von Plattfuss an Tom und dieser hatte sich großzügig bereit erklärt, die gesamte Charge (die wir der Übersichtlichkeit wegen hier im Blog in zwei Teilen vorstellen) für eine große Verkostung am vergangenen Mittwoch zur Verfügung zu stellen. Die Brauerei (nur italienische und englische Webseite verfügbar) liegt in der piemontesischen Provinzhauptstadt Cuneo und wurde 2009 gegründet. Ivano, der Mann der dahinter steht, war vorher IT-Mensch und übernahm den väterlichen Bauernhof, um sein Leben zu entschleunigen. Die Arbeit auf der Farm war so, dass er wieder Zeit hatte, sich seinem Hobby - dem Brauen - zu widmen. Als der Bierausstoß ein gewisses Volumen erreicht hatte, beschloss Ivano in der Nähe eine kleine Gaststätte zu eröffnen, wo er sein Produkt an den Mann bzw. an die Frau bringen konnte. Die Arbeit machte ihm Spaß, war aber nach einiger Zeit zu viel für einen einzelnen Menschen, und nach einer schicksalhaften Nacht im Jahre 2012 (Doppelschicht in Brauerei und Kneipe, in der Küche in Schlaf gefallen und einfach durchgeschlafen) wurde ihm klar, dass er ein Team brauchte, womit der Grundstein zu der heutigen, kommerziell betreibbaren birreficio gelegt war. Zwei Jahre später waren die Lagerkapazitäten bereits auf 18.000 Hektoliter angelegt.

Grundsätzlich - und von einigen Spezialabfüllungen abgesehen - gibt es im Portfolio zwei Segmente: The Girls (cyberpunkige Thematik) und H4TG (Hop for the Geeks), bei denen die jeweiligen Dosen von verschiedenen Künstlern gestaltet werden. Für die Verkostung haben wir sie wild gemischt, von "leicht" nach "schwer".


Sweetch (4,7% Vol.)

Art und Herkunft: Witbier, Italien (Cuneo).

Anmerkungen: Mit Weizen, Hafer und "Gewürzen". The Girls.

Aussehen und Aroma: Weißgold und eine Mini-Krone. Dezenter Geruch, Hefe und Orangenzeste.

Geschmack: Sehr fruchtig und weich. Maracuja und Orangen.

Abgang: Kurz, die Frucht wird reifer.

Fazit/Tipp: Sehr erfrischend und überraschend fruchtig.


Aero (4,7% Vol.)

Art und Herkunft: American Pale Ale, siehe oben.

Anmerkungen: Glutenfrei. The Girls.

Aussehen und Aroma: Sattgelb und sehr trübe. Mittlere Krone. Hopfiger "Skunk", Zitrusfrüchte und Bergamotte.

Geschmack: Süßlich-hopfiger Antritt. Wenig würzig. Schwarzer Tee und Orange und Zitrone.

Abgang: Lang und zunehmend bitterer.

Fazit/Tipp: Kernig, kräftig, hopfig. SEHR hopfig.


Kei*Os (5,0% Vol.)

Art und Herkunft: India Pale Ale, siehe oben.

Anmerkungen: The Girls.

Aussehen und Aroma: Ähnliche Farbe wie das Aero, aber klarer. Winzige Krone. In der Nase weniger Würze und dafür mehr Frucht, insbesondere Ananas und Mango.

Geschmack: Sehr spritzig auf der Zunge, richtiggehend tropisch mit sehr deutlicher Ananas.

Abgang: Mittellang und bitterer, etwas Zitrone im Nachklang.

Fazit/Tipp: Weniger hopfig als das APA, allerdings auch weniger nuanciert im Geschmack. Tropifrutti ist hier Trumpf.


Reveille (6,5% Vol.)

Art und Herkunft: India Pale Ale, siehe oben.

Anmerkungen: Mit Hafer. H4TG.

Aussehen und Aroma: Hellgelb, fast gar keine Schaumkrone. Säuerlich-fruchtige Nase.

Geschmack: Dünnes Mundgefühl, aber sehr fruchtig. Mandarine und Weingummi.

Abgang: Mittellang und auch hier mit Tendenz zu mehr Bitterkeit.

Fazit/Tipp: Weniger fruchtig, aber einen Schlag herber als das Kei*Os.


Flooke (6,5% Vol.)

Art und Herkunft: Amber Lager, siehe oben.

Anmerkungen: Mit Kandiszucker (sic). The Girls.

Aussehen und Aroma: "Amber" (Bernstein) ist unseres Erachtens untertrieben. Die Farbe geht eher zu Mahagoni. Keine Krone. In der Nase sehr viel Malz und rote Früchte.

Geschmack: Etwas wenig Kohlensäure, auf der Zunge kommt die Zuckersüße deutlich durch. Johannisbeergelee.

Abgang: Mittel bis lang, immer noch sehr malzig und mit zunehmend stärkeren Röstaromen.

Fazit/Tipp: Wirklich sehr angenehm zu trinken. Aber wäre es doch nur einen Hauch spritziger ...


Gesamtfazit: Im ersten Durchgang gibt es keine klaren Likes und Dislikes. Alle Biere waren handwerklich hervorragend gemacht. Von den drei Pale Ales war das Reveille ein guter Mittelweg. Sowohl das Sweetch als auch das Flooke sind sehr interessant und auch recht innovativ. 

Der zweite Teil der Verkostung erscheint am 23. Januar 2022.

Verkostung: Plattfuss, Tomas A., Jan B.

Text: Jan B.


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