Sonntag, 5. August 2018

1800 Tequila Anejo (38% Vol.)

Bevor ich weiterschreibe: Wagt es bloß nicht, Zitrone und Salz oder etwa Orange und Zimt (schauder!) rauszuholen. Dieses "Ritual" ist eine Erfindung der Gringos und in Mexiko absolut unüblich. Tequila trinkt man dort pur; wenn überhaupt, dann trinkt man silbernen Tequila als bandera (Flagge) in den Farben Grün (Limettensaft) - Weiß (Tequila) - Rot (Sangrita) ... und zwar aus drei unterschiedlichen Gläsern. Im Endeffekt dient dieser ganze Firlefanz nur dazu, ein recht spritiges Getränk (weißen bzw. silbernen Tequila) für den mitteleuropäischen Gaumen abzumildern. Wir sind halt ein bisschen verweichlicht, gelle? Ähnliche Phänomene kennt man auch von diesen unsäglichen "Absinth-Ritualen" usw.

Wie auch immer: was überhaupt ist Tequila? Zunächst einmal eine regional begrenzte Variante des Mezcal, vergleichbar mit der Situation Weinbrand vs. Cognac. Spirituosen mit dem Namen Tequila müssen aus der Umgebung der gleichnamigen Stadt im Bundesstaat Jalisco kommen. Außerdem muss er aus der Blauen Agave (aka agave tequilana oder auch Weber-Agave) hergestellt worden sein. Bei einem "einfachen" Tequila reichen als Agavenanteil 51 Prozent, bei den 100-Prozent-Agave-Tequilas sind es ... naja, ihr wisst schon. Ansonsten hat er zwischen 31 und 55 Umdrehungen, wobei 38 so etwas wie der Normalfall sind. Grundsätzlich unterscheidet man vier Hauptsorten:
  • Tequila Blanco oder Plata ("Weiß" bzw. "Silber"): keine Lagerzeit bzw. bis zu zwei Monaten im Stahltank
  • Tequila Reposado ("geruht"): zwischen zwei Monaten und einem Jahr in Eichenfässern
  • Tequila Anejo ("gealtert", eigentlich gehört da noch eine Tilde oder wie das heißt über das "n"): zwischen einem und drei Jahren in Eichenfässern
  • Tequila Extra Anejo (dürfte klar sein): mindestens drei Jahre in Eichenfässern
Wer noch mehr Infos braucht: auf der Seite der Nationalen Kammer der Tequilahersteller erfährt man alles, was man jemals über Tequila wissen wollte.

Unser heutiger Agavenbrand kommt von der Firma José Cuervo (JC), die bereits im Jahre 1795 (sic!) Tequila herstellte. Seit den Sechzigern des 20. Jahrhunderts befindet sich JC im Besitz der Familie Beckmann (trotz des Namens sind es waschechte Mexikaner). Früher hieß der Tequila noch José Cuervo 1800, aber seit ein paar Jahren handelt es sich um eine eigene Marke. Den Beckmanns gehört darüber hinaus auch noch die Firma Proximo Spirits in New Jersey, die unter anderem die Markenrechte an Bushmills und The Kraken hält. Außer dem heute probierten Anejo gibt es unter dem Namen 1800 "natürlich" noch einen Blanco, einen Reposado sowie einen Extra Anejo ... und aus unerfindlichem Grunde auch einen mit Kokosnuss. 

Eine kurze Anmerkung, bevor ich mit der Verkostung anfange: so einen guten Tequila trinkt man natürlich nicht aus dem Shotglas, sondern aus einem Nosingglas oder aus einem Schwenker, bei Zimmertemperatur. Und wie gesagt: keine Zitrone, keine Orange. Bitte.



Art und Herkunft: Tequila, Mexiko (Jalisco).

Besonderheiten: aus 100% Blauer Agave.

Aussehen und Aroma: Braungold, mit einem rötlichbraunen Schimmer. Viele schmale legs. Starkes Eichenfass, zu Beginn auch deutlicher Alkohol, bis der erste Eindruck verflogen ist. Brauner Zucker, Vanille. Scharf. Holzig.

Geschmack: Ein kräftig-alkoholischer Antritt und ein relatives wässriges Mundgefühl. Das Eichenfass kommt wieder sehr deutlich durch, mit adstringierenden Tanninen und leichter Vanille. Süßlich-milder Mittelteil, weiterhin mit Vanille und Karamell. Außerdem ein dezidiert pflanzliches Thema, das muss wohl die Agave sein. Ich habe keine Ahnung, wie Agave schmecken soll, aber es erinnert mich ein bisschen an die Artischockenblätter, die ich mal mit Freunden im Backofen zubereitet habe.

Abgang: Lang und holzig-trocken. Etwas staubig.

Fazit/Tipp: ein alter Tequila braucht sich qualitätsmäßig nicht vor einem Weinbrand oder z.B. einem alten Jenever zu verstecken. Die Geschmackserlebnisse sind vergleichbar, auch wenn ganz verschiedene Grundstoffe dahinterstehen,  Dieser Tequila hier hat mir ganz gut gefallen, allerdings könnte er im Antritt noch etwas milder sein. Andererseits fehlen mir zurzeit noch die Vergleichmuster. Vielleicht "muss" er ja so sein. Erhältlich im gut sortierten Getränkehandel für etwa 30,- EUR.

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 12. August 2018.

Verkostung & Text: Jan B.



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